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Freakshow

Freakshow

Titel: Freakshow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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stehst du da und glotzt? Musst du nicht bald mal deinem komischen Job nachgehen?«
    »Hier, probier die mal an«, sagte ich, nahm die Uniformjacke vom Haken und warf sie ihm zu. Sie fiel zu Boden, wo Scuzzi sie betrachtete wie einen Kadaver. »Alles, was du tun musst, ist gemächlich deine Runde drehen und unterwegs einen Scanner über verschiedene Magnetstreifen ziehen.«
    »Was ich … tun muss!«, fragte er ungläubig. »Um mich zu vertreten«, erklärte ich geduldig. »Ich zeig dir die Route. Ist gar kein Problem.«
    »Ich? In diesem Outfit? Vergiss es.« Für einen Moment sahen wir uns an. Dann lächelte ich sanft. »Du wirst dich jetzt jeden Augenblick mit einem Aufwallen von Wärme des Umstandes erinnern, dass ich dich in der Stunde der Not aufgenommen habe und dich unentgeltlich bei mir wohnen lasse, und selbstredend wirst du dich für diese meine Großzügigkeit erkenntlich zeigen wollen.«
    »Mal langsam. Wie oft hast du schon bei mir gewohnt? Für Tage, manchmal für Wochen? Und hast du dich jemals dafür erkenntlich gezeigt?«
    »Du hast mich bei diesen Gelegenheiten regelmäßig mit deiner Musik gefoltert. Ich finde, das ist Kompensation genug.«
    »Gefoltert? Ich habe sie dir nur vorgespielt.«
    »Einem mittels Alkohol und Drogen wehrlos gemachten Gast James …«Ich stockte. Die Erinnerung war noch zu frisch. »James Blunt vorzuspielen«, brach es dann doch aus mir heraus, »erfüllt den Tatbestand eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit. Also, wirst du für mich einspringen oder nicht?«
    »Was hast du überhaupt vor? Mit den Kids in die Disse und ihnen deine Moves vorführen?«
    »Nein. Ich werde eine Geiselnahme beenden.«
    »Ganz allein?«
    »Nein, mit deiner Mithilfe. Weil wenn nicht, kannst du noch heute zurück nach Oberhausen ziehen und die Sterne durch die Lücken in den verkohlten Dachsparren bewundern.«
    »Das ist Erpressung.« Scuzzi hielt das Uniformhemd mit den kurzen Ärmeln ins Licht und zog ein angewidertes Gesicht. »Könnte ich nicht einfach nur mit dem Scanner …«
    »Nein. Du musst mich verkörpern, verstehst du? Uniform und Mütze und alles. Jeder, der dich sieht, muss denken, das wäre ich. Und egal, wer dich anspricht, du bist heute Nacht Kristof Kryszinski, verstanden?« Zusammen mit dem Scanner-Datenblatt sollte das ein
    Alibi erschaffen, das jeglichen gegen mich gerichteten Verdacht geradezu pulverisieren müsste. »Ein Traum wird wahr«, seufzte Scuzzi resigniert und zog das Hemd über. »Heimlich wollte ich schon immer so sein wie du.«
    »Na also. Dies ist deine Chance.«
     
    Diese Nacht würde mir nichts dazwischenkommen. Ich ließ den Toyota rollen, fühlte mich erschöpft, aber auf eine entschlossene Art entspannt dabei. Wenn alles lief wie geplant, waren anschließend sogar noch ein paar Stunden Schlaf drin.
    In Wanheim angekommen, stellte ich den Wagen in Sichtweite der Tierklinik unter dem Vordach einer zum Fuselshop verkommenen ehemaligen Tankstelle ab. Der Verkehr war dünn. Aus einer mit gleich mehreren deutschen Fahnen dekorierten Eckkneipe drang angesoffenes Gegröle. Abgesehen von mir war momentan niemand zu Fuß unterwegs. Raschen, zielsicheren Schrittes ging ich die Straße hinunter. Solange du aussiehst, als wüsstest du ganz genau, wo du hinwillst, bist du unsichtbar. Bleib stehen und sieh dich um, und du kannst genauso gut deinen Hut in Flammen setzen. Zäune trennten das Klinikgelände rechterhand vom Grundstück eines Autohauses und auf der linken Seite vom Parkplatz eines Supermarktes. Beides war heikel. Der Autohandel war sicherlich kameraüberwacht. Und es gab einfach keinen vernünftig darstellbaren Grund, warum sich jemand wie ich nachts und zu Fuß auf einem völlig leeren Supermarktparkplatz verlustieren sollte. Ich lief ohne zu stoppen vorbei, richtete meinen Blick aus dem Augenwinkel aber auf das, was auf der Rückseite an Autohandel, Tierklinik und Supermarkt angrenzte. Es waren die in Reih und Glied geordneten, uniformen Dächer einer neueren Kleingartenanlage. Na also. Besser ging’s kaum.
    Alle diese Anlagen haben ein hinteres Tor, vor allem wenn sie an Brachland grenzen, auf dem sich die bergeweise anfallenden Abfälle des zwanghaft geordneten Pflanzenwachstums in aller Stille und Kostenfreiheit abkippen lassen.
    Ein schlichtes Bartschloss ließ mich ein, ohne dass ich viel mehr als nur kurz den Schritt hätte verhalten müssen. Das Gelände präsentierte sich in der vereinsvorschriftsmäßigen nächtlichen Verlassenheit. Sehr

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