Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Freakshow

Freakshow

Titel: Freakshow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
Vom Netzwerk:
Limousine von zwei Kids mit weichen Lappen poliert wurde, stand der Sprinter unbeachtet, die Hecktüren offen. Ich warf einen Blick hinein. Sitzreihe auf Sitzreihe in drangvoller Enge, ohne dass sich jemand die Mühe gemacht hätte, Fenster in die Seitenteile der Karosse zu montieren. Ein Menschentransporter von bewusster Unauffälligkeit. Für ihn wie für die S-Klasse würden sich bestimmt helfende Hände finden, um die Müllcontainer bei Ein- und Ausfahrt beiseite zu rollen.
    Als ich mich umdrehte, war ich allein, die Kids verschwunden.
    Irgendetwas an der Atmosphäre riet zum sofortigen Rückzug.
    Doch ich konnte nicht. Nicht ohne Yoginda. Kurzentschlossen trat ich an die nächste Garage, probierte den Drehgriff, zog das Tor hoch. Gestank schlug mir entgegen. Irgendjemand blinzelte mich schlaftrunken an, aus einem primitiv zusammengenagelten Etagenbett, einem von vier. Und alle Kojen belegt. Nachtschicht, vermutete ich. Ein Eimer mit Styropordeckel in der Mitte des Raums diente als Klo. Ein simpler Holzofen als Herd. Plastiktüten an Haken als Schränke. Ich wollte nach Yoginda fragen, kam jedoch nicht dazu, weil mich eine Faust im Genick packte und zurückzerrte.
    Er war Türke, nicht sehr groß, dafür aber breit, mit dem kurz geschorenen schwarzen Bart und dem weißen runden Käppi des Strenggläubigen auf dem Hinterkopf. »Mach das Tor wieder zu«, herrschte er mich an, in einer Art, die keinen Widerspruch kennt. Ich riss mich von ihm los, fasste mir ins Genick und rang mit einer kolossalen, kalten Wut. Das Brecheisen schmiegte sich an meinen rechten Unterarm und gierte geradezu danach, jemandem bleibenden Schaden zuzufügen.
    »Hast du nicht gehört?«, blaffte er und spie dabei feuchte Hülsen von sich.
    In der Garage schälte sich jemand aus dem Bett und zog das Tor zu.
    »Und jetzt hau ab«, sagte derTürke und deutete mit dem Daumen über seine Schulter. Ich rührte mich nicht, sondern nahm ihn in Augenschein. Sein Anzug wirkte maßgeschneidert, und gleich mehrere fette Goldringe zierten seine Fäuste. Die Fäuste eines Schwergewichtlers, ganz gleich welcher Disziplin. Ich musste nur seinem ersten Schlag ausweichen, dann hätte ich freie Bahn, ihm eine Falte in das Käppi zu knuffen wie Tante Mia in ihr Sofakissen.
    Das Eisen glitt ein kleines Stück abwärts, und meine Finger bremsten es sachte.
    Im nächsten Augenblick füllte der bittere, immer leicht ranzige Geruch von Waffenöl meine Nüstern. Die eine goldberingte Faust knebelte die Front meines Overalls, während mir die andere eine Pistolenmündung ins linke Nasenloch presste. Mein Brecheisen klirrte zu Boden, ich verdrehte suchend die Augen. Immerhin, es war heller Tag. Doch hundert blinde, staubige Fenster und zwanzig geschlossene Garagentore zeigten keinerlei Interesse an mir und meinem weiteren Schicksal. DerTürke spie mir eine nasse, weichgekaute Schale von irgendwas mitten ins Gesicht.
    »Du verschwindest jetzt, sofort«, sagte er und kickte mein Brecheisen, dass es hörbar quer über den Hof und dann eine Kellertreppe hinabschlitterte. »Ich ermittle hier im Auftrag der Luxemburger Polizei«, behauptete ich, im Bemühen um eine Art Rückversicherung.
    »Interessiert mich einen Scheiß. Wenn du hier noch einmal rumschnüffelst, schieße ich dir die Nase weg. Schon mal ‘nen Mann ohne Nase gesehen?« Reste von Wut weigerten sich, der Vernunft zu weichen. »Wenn ich das nächste Mal herkomme«, entgegnete ich, »hab ich ein SEK dabei.«
    Er lachte schallend, es platzte nur so aus ihm heraus. »Wetten?«, legte ich nach. Ich begriff nicht, was es da zu lachen gab.
    Er ließ mich los, nahm die Waffe runter. »Gern. Wie viel willst du verlieren?« Und er zog eine Rolle Hunderter aus der Tasche, dick wie ein Kaffeebecher.
    Seine schiere, dreiste Selbstsicherheit machte mich sprachlos. Immerhin unterhielt er hier allem Anschein nach eine regelrechte Kolonie von Illegalen, also nichts, das man mal eben außer Sicht räumen konnte, sollte eine Razzia anstehen. Und trotzdem: Ich drohte ihm mit der Polizei, und er lachte mich aus. »Also, was ist?«, meinte er, hielt mir die Geldrolle unter die Nase und grunzte, als ich nicht reagierte. Schließlich steckte er das Geld weg, die Waffe auch, klappte ein Handy auf, sprach einen einzigen Satz auf Türkisch hinein und klappte es wieder zu.
    »Husch, husch«, meinte er dann herablassend, begleitet von einer leicht wedelnden Handbewegung, wie wenn man Geflügel verscheuchen will. »Idiot«, sagte er noch,

Weitere Kostenlose Bücher