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Freakshow

Freakshow

Titel: Freakshow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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sind.«
    »Woher zum Deibel hast du das denn?«
    »Das ist hier das Village, Kristof, ein Dorf! Da wird getratscht. Also: Glaubst du wirklich, die Zeugen geben einfach so auf, nur weil du ihnen mit Anzeige drohst? Nie.« Er schraubte die Tramal-Flasche auf und betrachtete sie einem Moment lang zärtlich, bevor er sie umdrehte, hochhielt und eine nicht enden wollende Reihe von Tropfen auf seine vorgestreckte Zunge regnen ließ. »Was«, fragte er nach mehrmaligem Schlucken und schüttelte sich kurz, »was, muss die Frage lauten, was können die hübschen kleinen Sektierer wohl von dir wollen, Wachmann?«
    Nachdenklich stieg ich in die Hose mit der breiten Seitennaht, streifte mir das Hemd mit den Schulterklappen über. Besah mich kurz im Spiegel. Tadellose Erscheinung, auch wenn mein Kopf mit seinen Augenringen zurzeit ein wenig an Liebreiz vermissen ließ. »Sie hatte noch nie einen richtigen Mann«, sagte ich, griff zur Kaffeekanne und nahm einen Schluck. Lau, erdig, bitter, koffeinhaltig.
    »Dafür aber oft genug ihren Bruder«, meinte Scuzzi, und ich prustete Kaffee über den Tisch. »Was?«, fragte ich, sobald ich mit Husten fertig war. »Ja klar. Jacob ist ihr Bruder. Wusstest du das nicht? Das sieht doch ein Blinder, dass das Geschwister sind.« Was ich sah, vor meinem geistigen Auge, waren die beiden, engumschlungen, zungenküssend am Rheinufer. »Kristof, diese Kids sind alles andere als normal. Und du bist zurzeit völlig durch den Wind. Glaubst du wirklich, du wärst Herr der Lage? Denk nur an Alfred.«
    »Ich bin nicht Alfred«, entgegnete ich.
     
    Lil Bow Wow war definitiv mehr Spaniel als Dobermann. Bildhübsch dabei, auf eine kindliche, knopfäugige, anrührende Art. Irgendetwas an ihrer Erscheinung weckte augenblickliche Beschützerinstinkte. Trotzdem blieb ich oben am Rand des Deichs erst mal stehen und zögerte. Die Situation war eindeutig, wenn auch nicht eindeutig bedrohlich.
    Lil Bow Wow lag in ihrer braven weißen Bluse und einem knielangen Schottenröckchen auf dem Rücken im Sand, umschlossen von Jacob und Johanna, die sich, nackt bis auf String, Badehose, und ihre Sonnenbrillen, intensiv um sie bemühten. Jacob streichelte Lil Bow Wows Schenkel, strich ihr den Rock höher und höher, während Johanna dabei war, Knopf um Knopf die züchtige weiße Bluse zu öffnen.
    Als wäre das alles nicht schon irritierend genug, umkreiste die mit Baggys und Armeeunterhemd relativ komplett bekleidete Priscilla die drei mit einer Filmkamera auf der Schulter, Auge am Sucher. Lil Bow Wow wand sich, kicherte unsicher, war einerseits peinlich berührt, andererseits aber offensichtlich außerstande, den Zudringlichkeiten der schönen Geschwister zu widerstehen. Bis ich herantrat.
    »Oh, da ist ja Kristof«, sagte Johanna und sah hoch zu mir. »Und sogar in Uniform.«
    Lil Bow Wow riss die Augen auf, sprang auf die Beine, strich hastig ihren Rock über die Knie und begann ungeschickt ihre Bluse zuzuknöpfen. Sie war dermaßen flammend rot geworden, dass mehrere rechteckige Hautreizungen, eine quer über ihren Mund, andere rings um ihre Handgelenke, geradezu blass erschienen. Hautreizungen mit auffallend geraden Kanten. Etwa fünfzig Millimeter breit.
    Ich wollte mir das näher ansehen, doch sie wandte sich ab und rannte davon. Ja, verdammt. Es war fast beschämend, wie leicht ich sie einholte. »Nun warte doch mal«, sagte ich besänftigend, fasste nach ihrer Schulter, und sie stolperte über irgendwas und fiel lang hin.
    »Wachmann der Stiftung misshandelt Bewohnerin«, kommentierte Priscilla, die hinter uns hergelaufen war und weiterhin filmte.
    »Hör auf damit«, schnauzte ich, half Lil Bow Wow hoch und hielt sie an den Händen. Ihre Schamröte war verblasst, so dass die gereizten Hautstellen jetzt wieder in Rot aufschienen. Fünfzig Millimeter, ich hätte drauf gewettet. Lil Bow Wow knurrte und versuchte, ihre Finger aus meinem Griff zu ziehen.
    »Kann das sein, dass du das warst, die man kürzlich da unten im Keller an den Tisch gefesselt hat?«, fragte ich sie eilig. »Es würde mir genügen, wenn du nickst.« Sie errötete erneut. Ich gab ihre Finger frei, sie machte kehrt und rannte den Deich hoch und außer Sicht. »Wuff«, machte Priscilla, Kamera weiter auf mich gerichtet, Auge nach wie vor an den Sucher gepresst. »Jetzt lass es sein«, herrschte ich sie an, bis zur Weißglut gereizt durch eine nicht abreißende Kette von Fehlschlägen.
    »Wachmann nimmt drohende Haltung ein«, sagte Priscilla,

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