Freakshow
griff in seine Jackentasche, schaufelte sich eine Handvoll Vogelfutter in den Mund und verschwand, langsam und gemütlich kauend, in einem mit >Büro< überschriebenen, verglasten Hinterzimmer der stillgelegten Heißmangel.
»Nicht dein Tag, heute?«, fragte Scuzzi, knackte die Kindersicherung von seiner Tramal-Pulle und ließ sich ein paar Tropfen über die Zunge rinnen. »Ich möchte nur noch töten«, antwortete ich und atmete ein paarmal tief durch. »Ruf die Bullen«, sagte ich dann abrupt und drückte Scuzzi mein Handy in die Hand. Er sah mich verblüfft an. Seltener Satz, das, aus meinem Mund.
»Wenn ich die anrufe«, erklärte ich, »kommen die mir garantiert mit dieser blöden Anzeige wegen Einbruchs und was-weiß-ich-noch. Also mach schon. Gib die Adresse hier an, sag, du bist Wachmann, und ein Türke hätte dich mit Waffengewalt an der Ausübung deiner Tätigkeit gehindert.«
Scuzzi zuckte die Achseln und wählte. Dafür dass er komplett stoned war von Schmerztropfen, spielte er den Wachmann recht gut, sprach mit der nötigen Mischung aus Sachlichkeit und Empörung und blieb auch im Jargon überzeugend. Dann gab er mir das Handy zurück. »Sie kümmern sich drum«, sagte er. »Hä?«
»Man hat mich sofort an die Kripo weitergeleitet, einen Kommissar Lukas, der hat alles aufgenommen und gesagt, sie kümmern sich drum.«
»Mehr nicht? Hat er gesagt, wann? Hat er gesagt, du sollst an Ort und Stelle bleiben, für eine Gegenüberstellung? Hat er dich nach deinen Kontaktdaten gefragt?«
»Nö.«
Die Bullen hatten Scuzzi vor die Wand laufen lassen, hieß das. Sie würden gar nichts unternehmen. Unglaublich.
Die vier Typen mit dem Cabrio kamen wieder die Straße herunter, diesmal in verschärftem Tempo, stoppten neben dem Toyota und machten Anstalten auszusteigen. Ich wählte Mendens Nummer, drehte den Zündschlüssel, zeigte ihnen den Finger und fuhr weg.
Wir waren fast im Village, als Menden zurückrief. »Der Türke ist unantastbar«, sagte er auf seine dröge Art.
Ich traute meinen Ohren nicht. »Wie? Unantastbar?«
»Das, was ich sage, Kryszinski. Anzeigen gegen ihn werden nicht weiterverfolgt.«
»Was? Und Sie dulden das?«
»Ich muss, Kryszinski.«
»Können Sie mir das, bitte, erklären?« Aus mir sprach die ganze Höflichkeit völligen Nichtbegreifens. »Nein«, antwortete Menden. »Ich kenne die Zusammenhänge ja selbst nicht. Aber aus dem, was ich so herausgehört habe, scheint es sich bei dem Mann um einen als unverzichtbar eingestuften Informanten zu handeln. Für islamistische Umtriebe in Duisburg. Verstehen Sie jetzt, Kryszinski?«
Ja, ich verstand. Ich verstand in erster Linie eines: Wenn ich weiter nach Yoginda suchte, was ich verdammt noch mal musste, riskierte ich, die Nase von einem Typen weggeschossen zu bekommen, den man anschließend dafür nicht belangen würde. Was, soviel war mal sicher, seine Hemmschwelle nicht unbedingt anheben dürfte. Und wenn ich weiter nach dem Bugatti fahndete, geriet ich mit Claude Honka und Walter Grotzki an gleich zwei Typen, deren Hemmschwellen unterirdisch verlegt waren.
»Töten«, sagte ich. »Ich möchte nur noch töten, töten, töten.«
»Waren Sie eigentlich inzwischen zur Vernehmung beim Duisburger Einbruchsdezernat?«, wollte Menden noch wissen, und ich presste den roten Knopf.
Eigentlich wurde von den Angestellten der Stiftung erwartet, dass sie ihre Autos auf dem Parkplatz draußen vor dem Village abstellten, doch das war mir unter den gegebenen Umständen viel zu weit weg. Ich parkte direkt vor dem Törchen zum Vorgarten unseres Apartments und wählte Heckenpennes’ Handy an. »Alexander Lehnkering pennt wahrscheinlich gerade unter irgendeiner Hecke«, meinte die Stimme vom Band lakonisch, gefolgt vom üblichen Rest und dem Piepton. »Pass auf«, sagte ich. »Yoginda wohnt höchstwahrscheinlich auf einem Garagenhof in der Wilhelmstraße in Marxloh, doch ich komme zurzeit nicht an ihn heran, ohne anschließend wie Michael Jackson auszusehen. Es ist deshalb wichtig, dass du diese Lockvogel-Kampagne sofort unterbrichst. Zumindest, bis wir Yogindas Sicherheit garantieren können.«
Es war von Anfang an eine unbehagliche Idee gewesen, und jetzt drohte sie außer Kontrolle zu geraten. Stress fraß an mir wie Rost an meinem Wagen. Für einen Moment war ich völlig ohne Plan, leer, alle. »Vielleicht solltest du’s mal mit Schlaf versuchen«, meinte Scuzzi.
Ich riss meinen Blick von der Betrachtung meines Tachometers los, sah
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