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Freakshow

Freakshow

Titel: Freakshow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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verdammt, ich hab’s vergessen.«
    »Was ist mit Ihrem Kinn?«
    »Hä?«
    Er berührte die Stelle mit dem Finger. »Ach das«, sagte ich. »Streifschuss mit ‘nem Schlagring.«
    »Ich frage mich nicht das erste Mal, wofür Sie dieses riskante Leben leben, Kryszinski. Was haben Sie davon?«
    Was für eine blöde Frage. Was für eine saublöde Frage. Ich wusste keine Antwort.
    »Worüber haben wir letztes Mal geredet?«, fragte ich stattdessen.
    Dr. Korthner antwortete nicht, sondern nahm noch einen Schluck Bier und ging weiter, auf einen leuchtend blauen Seat zu. Seat, sage ich immer, hat die schönsten Farben.
    »Denken Sie nur mal an die Leute, die Ihren Freund Alfred überwältigt und misshandelt haben. Zweimal hintereinander, und das bei Alfreds Statur. Was wird wohl mit Ihnen passieren, wenn Sie denen zu nahekommen? Oder gar in die Quere?«
    Von Familie Grotzki ganz zu schweigen, dachte ich. Oder Claude Honka. Oder - mich schauderte - Benjamin Peelaert. Korthner hatte vollkommen recht. Was hatte ich davon?
    »Stimmt«, sagte ich. »Alfred. Über den haben wir beim letzten Mal geredet. Ich habe mich gefragt, ob man Al fred eventuell etwas in den Kakao gerührt hatte.«
    »Ist mir auch durch den Kopf gegangen«, meinte Dr. Korthner und schloss sein Auto auf. »Also hab ich sein Blut ins Labor gegeben. Negativ. Keine Sedativa, nichts.« Er schwang sich in den Wagen. »Ihr Freund Scuzzi wartet drinnen im Aufenthaltsraum«, sagte er noch, knallte die Tür, winkte kurz und fuhr davon. Scuzzi lächelte, als ich ihn abholte. Sein Finger war geschient und dick verbunden. Sah ein bisschen so aus, als ob er der ganzen Welt den Stinkefinger zeigen wollte. »Tut’s noch weh?«, fragte ich, und Scuzzi schüttelte lächelnd den Kopf.
    Wir stiegen in den Wagen, ich fuhr los und gab Scuzzi einen Abriss der jüngsten Entwicklungen. Er lächelte. An der nächsten roten Ampel sah ich ihn mir mal genauer an.
    »Lass mich raten«, sagte ich, »Tramal.«
    »Wundervolles Zeug«, meinte Scuzzi und lächelte.
    Boy, der pakistanische Stricher, hatte Yoginda auf dem Foto erkannt, auch wenn er das leugnete. Ich musste ihn finden und aus ihm herausholen, wo Yoginda sich versteckt hielt. Und dann musste ich Yoginda schleunigst nach Luxemburg bringen und dort Commissaire Leblanc persönlich aufs Auge drücken, bis wir Peelaert endgültig aus dem Verkehr gezogen hatten. Ich folgte den Straßenbahnschienen bis zur Endstation in Marxloh, bog ab und stoppte kurz vor der Hauseinfahrt, in der ich Boy aus den Augen verloren hatte. Es war eine kahle, graue, heruntergekommene Straße, die uniform viergeschossigen Häuser in Boomzeiten schnell und billig hochgezogen und nun dem langsamen Verfall überlassen. Ein kurzes Durchzählen der in verschiedenen Fenstern ausgehängten Fahnen erbrachte über ein Dutzend verschiedene Nationalitäten. Vier türkische Jugendliche in einem hochglanzpolierten BMW Dreier-Cabrio rollten langsam über das Kopfsteinpflaster und warfen Scuzzi und mir ausgesprochen fischige Blicke zu. Sie würden wiederkommen, ich wusste es, also ließ ich sie passieren und stieg dann aus. Keine Zeit zu verlieren, wie man so sagt. »Sollten sie dich anquatschen«, sagte ich zu Scuzzi, der nach wie vor in Uniform war und satt und zufrieden in seinem Sitz hockte, »dann greif zum Handy und tu so, als ob du einen Notruf an die Zentrale absetzt.« Er nickte lächelnd, sämtlicher Sorgen ledig. Am liebsten hätte ich ihm die Tropfen weggenommen und mir selbst in den Hals gekippt.
    Ich passierte die leerstehende Kneipe, die aufgegebene Heißmangel, trat in den Schatten des Torbogens, Haustür links, Haustür rechts, stellte mich breitbeinig auf und blickte um mich. Irgendetwas hatte ich bei meinem letzten Besuch hier übersehen, da war ich mir sicher. Und nun kam es über mich, auf dem Umweg von der Nase zu den Augen und von da zum Augenmaß, ebenso unspektakulär wie wegweisend: Die übervollen Müllcontainer auf beiden Seiten der Passage standen zu dicht, als dass ein Auto zwischen ihnen hindurchgepasst hätte. Ungewöhnlich, sollte man meinen, für die Durchfahrt zu einem ausladenden Garagenhof. Hitze flirrte von den flachen Teerdächern, unterbrochen von Dutzenden meist improvisiert wirkender Rauchabzüge, wie ich sie noch nie an Garagen gesehen hatte. Ich trat raus aus dem Schatten, hinein in den Hof. Ganze zwei Autos parkten hier, eines eine S-Klasse in Silbermetallic wie alle, das zweite ein Mercedes-Sprinter, weiß wie alle. Während die

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