Freche Mädchen... 09: Liebe, Chaos, Klassenfahrt
bist vielleicht ein Witzbold.« Sie blickte unauffällig auf ihre Armbanduhr.
Ich verstand.
Auch Olli schien es plötzlich eilig zu haben. »Ich glaube, ich geh mal lieber rüber, bevor Christoph Vielfraß uns alles wegfuttert. Wenn’s ums Essen geht, kennt der keine Hemmungen. Anke, was ist mit dir? Kommst du mit ins Haus? Ich hab eine tolle CD in Dresden gekauft, soll ich sie dir mal leihen?«
Ich glaubte nicht richtig zu hören. Olli, der kleine, witzige Olli, stand ebenfalls auf Anke. Aber sie schien ihn gar nicht gehört zu haben. Versonnen strich sie durch die Mähne des Pferdes und lächelte Jannis von der Seite an. Er verzog keine Miene. Klar, er wollte erst mit Anke reden, wenn Olli und ich verschwunden waren.
»Ich verschwinde auch«, sagte ich. »Der Trimmpfad war ganz schön anstrengend.«
Anke konnte mit mir zufrieden sein. Ich hatte ihr Jannis angeschleppt und mich pünktlich nach drei Minuten aus dem Staub gemacht.
Jannis und Olli starrten mich an. Anke lachte. »Unsere liebe Carlotta ist eben keine Sportskanone.«
»Moment mal …«, rief Olli, aber den Rest des Satzes hörte ich schon nicht mehr. Ich hatte mich abrupt umgedreht und war losgerannt.
»Unsere liebe Carlotta ist eben keine Sportskanone!« Immer wieder hörte ich Ankes Stimme. In meinen Ohren klang es wie Spott. Anke, die nicht auf den Trimmpfad gehen kann, weil ihr nach fünf Metern die Puste ausgeht, die im Sportunterricht im Stadion ständig neue Beschwerden erfindet, um nicht mitmachen zu müssen. Anke, für die ich so viel getan hatte.
Blind vor Tränen lief ich Herrn Dannitzki, der vor der Jugendherberge in der Abendsonne saß, direkt in die Arme. »Was ist denn mit dir los?«, fragte er erschrocken.
»Pferdehaarallergie«, stammelte ich. Mir fiel im Moment wirklich nichts Besseres ein. »Schlägt bei mir immer gleich voll auf die Augen.«
»Die Allergien nehmen immer mehr zu«, legte Danni los. »Das liegt an unserer ungesunden Lebensweise. Vor fünfzig Jahren zum Beispiel …«
In diesem Moment kam Tina aus dem Haus und ich ergriff sofort die Flucht. Auf dem Weg zu unserem Zimmer begegnete mir glücklicherweise niemand mehr. Angezogen legte ich mich auf mein Bett und dachte tausend böse Gedanken. Anke! Wahrscheinlich würde ich nie wieder mit ihr reden. Jannis! Hoffentlich hatte er nicht gemerkt, wie nett ich ihn fand. Am allerschlimmsten war die Vorstellung, am nächsten Tag die beiden zusammen zu sehen, Händchen haltend womöglich. Das würde ich nicht aushalten. Meine einzige Hoffnung war die Wanderung, die Herr Dannitzki angedroht hatte. »Wenn das Wetter einigermaßen mitspielt, dann wollen wir am letzten Tag noch ein bisschen die Gegend erkunden. Mit dem Ausflug nach Dresden klappt es leider nicht mehr, aber auch hier in der Gegend gibt es einiges zu entdecken«, hatte er nach dem Frühstück gesagt und die meisten hatten ziemlich gemurrt. Ich auch. Aber inzwischen wäre ich bei strömendem Regen hundert Kilometer weit gelaufen, bloß um das junge Glück nicht sehen zu müssen.
Auf dem Flur hörte ich Schritte. Ich drehte mich zur Seite. Jemand betrat das Zimmer.
»Carlotta, ist alles in Ordnung?«, hörte ich Stefanie flüstern. »Tina hat behauptet, du hast eine Allergie. Das stimmt doch nicht, oder?«
Ich schüttelte den Kopf. Sagen konnte ich kein Wort, sonst hätte ich sofort geheult.
Stefanie kletterte zu mir hoch. »Es ist wegen Jannis, stimmt’s?« Ratlos sah sie mich an. »Meine Mutter sagt immer, wenn ich mal Liebeskummer haben sollte, dann soll ich es nicht so eng sehen. Das würde auch wieder vergehen. Die Zeit heilt nämlich alle Wunden.«
»Erwachsene verstehen das nicht«, sagte ich mit dumpfer Stimme.
Stefanie nestelte einen Packen Taschentücher aus ihrer Hosentasche und legte sie mir aufs Kopfkissen. Ich versuchte zu lächeln.
»Übrigens, weißt du schon das Neueste? Carlotta, ich muss dir eine irre Geschichte erzählen. Hab ich gerade im Speisesaal gehört. Weißt du, wer den gelben Sportwagen zu Schrott gefahren hat? Das war der Bruder der Herbergsmutter. Der euch vom Bahnhof abgeholt hat. Erinnerst du dich an ihn? Seine Schwester hat ihm den Wagen nie ausgeliehen und da hat er ihn neulich einfach geknackt und kurzgeschlossen und ist losgebraust. Und dann hat er das Auto nach knapp zweihundert Metern schon in den Graben gesetzt.«
Ich lächelte. »Irre Geschichte.«
Stefanie sah mich forschend an. »Willst du vielleicht meinen Nachtisch?«, fragte sie. »Es gab Tiramisu und ich
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