Freche Mädchen... 10: Headline mit Herz
quer.
»Und die Jazzdance-Story schieben wir in den hinteren Teil?«, fährt sie fort. Man merkt ihr an, dass sie ein bisschen säuerlich ist, aber zumindest akzeptiert sie den Gruppenentscheid.
»Das kannst du dir aussuchen«, erwidere ich aufgeräumt. »Entweder wir bringen sie groß im zweiten Teil der Zeitschrift oder wir sparen sie für die nächste Ausgabe als Aufmacher. Aber ich denke, damit wir aktuell sind, sollte sie so rasch wie möglich erscheinen.«
»Genau. Vielleicht gibt es die Zicken-AG im September gar nicht mehr«, lässt sich Marvin vernehmen und erntet dafür von allen anderen Teilnehmern Mörderblicke.
»Was denn!« Er breitet die Arme aus, um seine Unschuld zu demonstrieren. »Weiß doch jeder, dass die Jazz-Gruppe allgemein Zicken-AG genannt wird. Das darf man ja wohl mal aussprechen. Ich finde, das gehört sogar in den Artikel.«
»Was in den Artikel hineingehört und was nicht, kannst du mir überlassen«, zischt Celine ihm wie eine Schlange zu. Marvin zieht den Kopf ein.
»Also gut.« Ich klatsche in die Hände. »Dann sind wir also durch. Ilona, schreibst du auf, was wir besprochen haben und wer welche Artikel verfasst?«
»Nicht, dass ihr mir den Sportteil knickt!«, ruft wieder Marvin. »Ich brauche mindestens eine Doppelseite und fette Fotos dazu.«
»Geht klar, Marvin«, erwidere ich. »Wir kürzen gar nichts weg.«
Wir vereinbaren noch den nächsten Konferenztermin, und ich kann es kaum erwarten, nach Hause zu kommen, um mit der Mobbing-Geschichte zu beginnen.
Mit Lasse verabrede ich, dass wir uns auf Skype treffen, sobald er erste Erfolge im Internet hat, also Artikel und Studien, die ich in dem Hauptartikel verbraten kann.
Lästerschwester
Obwohl Mobbing ein bedrückendes Problem ist, fühle ich mich, als würde ich auf Wattewolken hüpfen, als ich den Heimweg antrete. Das liegt daran, dass mich der Gedanke beflügelt, mit meinem Artikel die Leute zu bewegen und zur Meinungsbildung beizutragen.
Ich habe das gute Gefühl, dass es in meiner Hand liegt, ob es künftig an unserer Schule weniger Mobbing-Opfer als statistisch üblich gibt. Auf jeden Fall will ich mein Bestes geben und einen Artikel schreiben, den keiner nach den ersten Zeilen abbricht, um gelangweilt weiterzublättern.
Einerseits werde ich die harten Fakten und Fallbeispiele nennen, andererseits werde ich es so formulieren, dass es sich anhört, wie direkt aus dem Schulalltag gegriffen.
Ach, ich freue mich aufs Schreiben! Hoffentlich nervt heute Nachmittag keiner.
Die Redaktionsmitglieder haben sich bereits im Schulgebäude verteilt. Einige haben frei, andere haben noch AGs. Ich kann nach Hause und öffne beschwingt die große Schulpforte aus Glas.
Als ich um die angrenzende Turnhalle schlendere, höre ich Stimmen. Bekannte Stimmen – zumindest eine. Eine zischelnde Mädchenstimme.
Unwillkürlich verlangsame ich meine Schritte, bleibe stehen und lausche für ein paar Sekunden. Jetzt erkenne ich die Stimme: Celine unterhält sich offenbar mit einer Freundin.
»… was die sich immer einbildet. Ich glaube, die träumt jetzt schon von irgendwelchen Journalistenpreisen, echt. Und dabei nimmt sie keine Rücksicht auf andere. Sehr übel. Irgendwann lege ich mich noch mal richtig mit der Tussi an, und dann gibt’s beef …«
Mein Pulsschlag beschleunigt sich, während ich unfreiwillig Zeugin dieses Wutausbruchs werde. Ich beule mit der Zungenspitze meine Wange aus, als ich überlege, wie ich reagieren soll. Bloß nicht impulsiv Celine die Hände um den Hals legen!
Soll ich umkehren und einen anderen Weg wählen, um Celine nicht zu begegnen?
Soll ich an ihr und ihrer Freundin vorbeigehen und freundlich grüßen, als hätte ich nichts gehört?
Nein.
Die Wahrheit. Immer.
Ich räuspere mich, straffe die Schultern und trete um die Ecke. »Hallo, Celine«, sage ich. »Du, sorry, jetzt habe ich gerade leider mitbekommen, was du gesagt hast. Schade, dass du doch sauer bist. Ich hatte den Eindruck, dass wir die Entscheidung gemeinsam getroffen haben, und hätte es besser gefunden, wenn du mit uns diskutiert hättest, statt hier nach Schulschluss.«
Ich versuche, so wenig kämpferisch wie möglich auszusehen, als ich ihr in die Augen blicke.
Celines Wangen beginnen vor Verlegenheit zu brennen wie Rotlicht-Glühbirnen. Sie streicht sich die Haare aus dem Gesicht und streckt das Kinn vor, um die Blöße zu überspielen. Ich merke ihr an, dass es hinter ihrer Stirn wie bei einem durchgedrehten Uhrwerk arbeitet.
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