Freche Mädchen... 10: Headline mit Herz
geworfen habe. »Was geht denn hier? Party?«
Mama steht auf – Küsschen links, rechts, links auf die Wangen. »Da bist du ja, Süße. Wir haben schon auf dich gewartet.« Sie sieht perfekt aus wie immer. Ihre Bobby-Frisur mit verschieden hellen blonden Strähnen ist von einem Star-Friseur geschnitten, die Designerjeans sitzt wie maßgeschneidert auf ihren Hüften, das eng anliegende weiße Shirt betont ihre schlanke Figur. Nur die Strickjacke darüber zeigt, dass sie im Wohlfühlmodus ist.
Papa dagegen trägt eine Jogginghose, ein weißes T-Shirt und ein offenes kariertes Hemd. Er ist immer happy, wenn er den Kochkittel – mit seinem Namenszug an der Brusttasche – gegen die gemütlichen Klamotten tauschen kann. Ich drücke ihm einen Kuss auf die stoppelige Wange.
»Hoy«, sagt Hendrik, ohne von seinem Teller aufzublicken.
»Hmpf«, presse ich hervor.
Die Markwoski wischt mit einem Lappen über die Arbeitsplatten, trocknet sich die Hände an einem Geschirrtuch ab, das sie über den Halter hängt, und zieht sich den Kittel aus. »Ich bin dann für heute weg«, verkündet sie.
»Ja, nehmen Sie sich einen freien Nachmittag, Frau Markowski«, sagt Mama. »Kaufen Sie sich was Schönes oder gehen Sie in die Sauna.«
Missmutig schüttelt die Markowski den Kopf. »Als ob ich für so etwas Zeit hätte«, mosert sie vor sich hin.
»Was gibt es denn zu feiern?«, erkundige ich mich kurz darauf, als die Tür hinter der Putzhilfe ins Schloss fällt und Papa mir Nudelauflauf auf den Teller häuft.
»Gar nichts«, sagt Mama munter. »Wir haben heute nur einen Auftrag in der Firma, den die Angestellten auch ohne uns geregelt kriegen. Und weil wir am Wochenende unterwegs waren, dachten wir, es wäre mal eine prima Gelegenheit, den Nachmittag mit euch zu verbringen.«
Mein Handy in der hinteren Jeanstasche vibriert. Eine SMS.
»Könnt ihr knicken«, gibt Hendrik mürrisch von sich. »Ich muss für morgen ein Referat schreiben.«
»Musst du das nicht seit zwei Monaten?«, erkundige ich mich spitz.
»Geht dich das was an?«, föhnt er zurück.
Hendrik ist der Typ, der seine Zeit nicht einteilen kann. Obwohl er seit acht Wochen den Termin kennt, fängt er erst heute, kurz vor Abgabeschluss, an. Wie ich ihn kenne, wird er wahrscheinlich die Nacht durcharbeiten, um morgen pünktlich fertig zu werden. Aber mir mein Chaos vorwerfen, ne?
»Oh, das ist schade«, sagt Papa. »Ich dachte, wir könnten vielleicht zusammen skypen. Mit Paul. Oder mit Nana Lucia telefonieren.«
»Prinzipiell nicht schlecht. Aber mir passt es auch nicht. Ich muss dringend einen Artikel für die Zeitung schreiben«, erwidere ich.
Und mit Paul bin ich ohnehin ständig in Kontakt.
Nana Lucia in Buenos Aires – nicht heute. Vielleicht morgen. Obwohl ich verstehe, dass Papa Sehnsucht nach seiner Mama hat. Aber können die nicht vorher eine Ansage machen?
Ist doch logisch, dass wir unsere Zeit verplant haben. Was denken sich meine Eltern? Dass wir normalerweise dösig herumhocken und darauf warten, dass ein Animateur in die Hände klatscht und uns zum Bingo holt?
»Das ist aber ärgerlich«, knurrt Papa. »Da haben wir ein Mal Zeit für euch …«
Mama legt die Hand auf seine. »Lasst uns nicht streiten. Kein Problem, Santiago, wenn die Kinder andere Pläne haben. Beim nächsten Mal kündigen wir es vorher an, wenn wir mal freihaben, okay?«
»Das wäre ’ne Maßnahme«, sondert Hendrik ab und quietscht mit der Gabel ekelhaft auf seinem Teller herum, als er die Reste der Pasta aufspießt.
Ich kaue mit vollen Backen und ziehe das Handy aus der Hose, bediene es mit einer Hand, während ich weiteresse. Ah, Jenny hat geschrieben.
Kann ich heute vorbeikommen? LG, Jenny
Oh nein, bloß nicht. Hat sich denn die Welt heute gegen mich verschworen? Mann, ich will meinen Artikel schreiben.
Ganz schlecht , simse ich zurück.
Komm schon , lese ich eine Minute später die Antwort. Ich brauch dein Englischbuch für die Hausaufgaben. Hab meins in der Schule vergessen.
O. k. Aber nur kurz. Bin echt im Stress.
Thx! Ich bin gegen vier da.
O. k.
Englischbuch vergessen? Deswegen will sie zu mir? Amelie wohnt direkt in ihrer Nachbarschaft – zu ihr hätte sie es viel näher. Das kann nur bedeuten … Ich seufze. Offenbar hat Jenny irgendwie wieder ausgeschnüffelt, dass Hendrik heute zu Hause ist, und hofft, ihn hier zu treffen.
Puh. Ich bin echt eine Spät-Checkerin. Und blöd genug, mich in ihre irren Liebespläne einspannen zu lassen. Aber jetzt habe
Weitere Kostenlose Bücher