Freche Mädchen... 10: Headline mit Herz
werden.
Ob es da auch Unterschiede zwischen Jungs und Mädchen gibt? Ist Ilona das typische Opfer und sind die Jungs, die sie dissen, typische Täter? Wir werden sehen.
Lasse hat die Augen zu kleinen Schlitzen verengt und starrt auf die Tischplatte.
»Ist dir noch was eingefallen?« Ich beuge mich vor, um ihm ins Gesicht zu blicken.
Er schüttelt den Kopf, als würde er aus tiefer Versunkenheit auftauchen. »Nee, nicht wirklich, ich frage mich nur, warum diese Typen in der Mail geschrieben haben, dass Ilona hässlich sei. Ist es nicht möglich, dass das alles eine Verwechslung ist?« Mit ernster Miene blickt er von mir zu Ilona. Als Ilona begreift, was unser Technik-Mann da gerade von sich gegeben hat, beginnt ihr Gesicht zu leuchten, als würde es von einem warmen goldenen Sonnenstrahl beschienen werden. Wenn es noch irgendwas gebraucht hätte, um Ilona an diesem Morgen wieder aufzurichten, dann dieses aus vollstem Herzen kommende, unbeabsichtigte Kompliment.
Ich muss auch grinsen – aber vor allem muss ich jetzt zum Sport. Deswegen stehe ich auf. Spontan drücke ich Lasse einen Kuss auf die Wange. »Du bist der Beste, Lasse«, sage ich dabei und eile zur Tür.
Ilona folgt mir. »Danke«, haucht sie in Lasses Richtung, der uns verdutzt hinterherblickt.
»Habt ihr was eingeworfen?«, erkundigt er sich. Wahrscheinlich stürzt ihn unser Lachen, nachdem wir die Tür geschlossen haben, in noch größere Verwirrung.
Schade, dass Typen wie Lasse so selten sind.
Abstimmung mit Mörderblicken
Wegen der letzten Mail habe ich Leon eine Weile schmoren lassen. Soll er ruhig denken, ich würde mich überhaupt nicht melden: Nach all seinen Unverschämtheiten dürfte ihn das nicht wundern. Aber nun nagt es an mir, die Dinge richtigzustellen.
Von: Merle Julieta Fernandez
An: Leon Bergazy
Betreff: Beschränkt?
Leon,
danke für deine Belehrungsversuche. Ich bin selbstverständlich imstande, Englisch zu verstehen. Genau deswegen bin ich über euren Zeitungsnamen gestolpert. No Limits – von wegen keine Grenzen. Mir kommt alles, was du treibst, eher beschränkt vor. Deswegen meine Verwirrung.
Heute allerliebst,
Merle
Die nächste offizielle Redaktionskonferenz ist zwei Tage später am Mittwoch. Die ganze Zeit über habe ich mit mir gerungen, ob ich Jenny, Amelie und Lotta von dem neuen Aufmacher erzählen soll oder nicht.
Ich habe mich schließlich dagegen entschieden, weil ich befürchte, dass sie nicht dichthalten könnten.
Ich will, dass der Bericht wie ein Molotow-Cocktail einschlägt, und dazu gehört der Überraschungsmoment.
Zähneknirschend bekomme ich mit, wie Jenny und Amelie immer wieder über den Contest quasseln, wer sich beteiligt hat und wer eine Chance hat zu gewinnen. Auch sonst ist das Konkurrenzblatt in aller Munde, genau wie Leon gehofft hat. Ich kann bis jetzt leider nur innerlich triumphieren, weil wir an der viel heißeren Geschichte sitzen.
Die Redaktionskonferenz findet in der sechsten Stunde statt. Man merkt allen an, dass sie schlapp sind nach dem Schultag. Frischer und lebhafter geht es stets zu, wenn wir uns vor zehn Uhr treffen. Aber das können wir uns nicht immer aussuchen.
Ich übernehme es, Celine und Marvin darüber aufzuklären, was wir – Lasse, Ilona und ich – uns ausgedacht haben. »Wenn ihr nichts dagegen habt, übernimmt Lasse die Recherche, ich schreibe den Text und Ilona wird sowohl Fotos beisteuern als auch ihre eigene Geschichte.«
Marvin reagiert überraschend. Er hat mir genau zugehört und nickt nun. »Also, ich finde, das ist ein Burner«, sagt er. »Jeder kennt Mobbing, jeden wird das brennend interessieren.« Seine Sommersprossen treten deutlicher hervor, weil sein Gesichtsrosa ein klitzekleines bisschen dunkler wird. Nanu? Jetzt schiebt er fast trotzig die Unterlippe vor. Ob Marvin möglicherweise selbst Mobbing-Opfer war oder ist? Er sieht nicht aus, als wollte er mit seiner Geschichte zu unserer Aufmacherstory beitragen. Nun ja. Muss er nicht. Aber voll korrekt, dass er einverstanden ist. Fehlt nur noch Celine.
Die schürzt die Lippen, als wir sie alle abwartend anschauen. »Tja, wenn ihr das alles schon eingetütet habt, könnt ihr ja auf mein Votum verzichten.«
Ich hebe eine Hand. »Nein, nein, Celine, so sehe ich das nicht. Es ist wichtig, dass wir als Team hinter der Entscheidung stehen.«
Sie zuckt mit den Schultern. »Klar, das Thema ist nicht übel.«
Gegen meinen Willen stoße ich ein Seufzen aus. Gott sei Dank, Celine stellt sich nicht
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