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Freddy - Fremde Orte - Blick

Freddy - Fremde Orte - Blick

Titel: Freddy - Fremde Orte - Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Hände frei. Sie musste Freddy an sich drücken.
    Dann, als die Schreie in einem unmenschlichen Tosen kulminierten, hob sie den Kopf. Falls die Kirche einstürzte, dann wunderte es sie, dass sie selbst keine Trümmerteile abbekam.
    Die Kirche stürzte nicht ein. Vor ihr standen zwei hölzerne Füße. Sie wiesen blutige Wunden auf. Gemalte Wunden.
    Stöhnend ließ Sonja ihre Blicke höher wandern.
    Vor ihr stand der Gekreuzigte. Sie sah die abblätternde Farbe, die Risse im Holz, den Schmutz, der sich im Laufe vieler Jahre dort angesetzt hatte. Holznägel ragten hinten aus den Füßen und aus den Handgelenken. Die knarzenden Geräusche waren entstanden, als diese Nägel aus dem Kreuz gezogen wurden. Die Holzfigur hatte sich vom Kreuz befreit und war auf sie zugekommen. Sonja verstand jetzt, warum alle geschrien hatten. Wenn so etwas geschah, lohnte es sich zu schreien.
    „Ja, wir werden sehen, wer stärker ist“, zischte Miriam. „Wir werden sehen.“
    Als sie diese Worte aussprach, wankte der hölzerne Jesus und fiel in Sonjas Richtung.

7
    Sonja ließ sich zur Seite kippen, um dem Koloss auszuweichen, doch sie war nicht schnell genug. Die Brust des überlebensgroßen Messias begrub sie unter sich, und dem Schmerz nach zu urteilen, hatte er sie in zwei Teile zerbrochen. Das Holz war so hart und so schwer wie Eisen. Es drückte sie mit dem Gesicht voran auf den Steinboden. Dass der Körper ausgemergelt wirkte und nur mit einem hölzernen Lendentuch und einer Dornenkrone bekleidet war, änderte nichts an seinem enormen Gewicht.
    Sie spürte die Hände der lebenden Holzfigur, eine schloss sich um ihre Schulter, die andere fuhr unter ihren Bauch. Der Christus versuchte, ihren Oberkörper nach oben zu zerren. Seine Bewegungen waren langsamer als die eines Menschen, doch seine Kräfte überstiegen ihre bei weitem. Sonja war sicher, dass er sie töten wollte. Vielleicht hatte ihr Rücken den ersten Aufprall überstanden, doch wenn er weiter so mit ihr umsprang, würden ihre Wirbel bald nicht mehr in einer Reihe liegen. Wollte sie leben, durfte sie sich gar nicht erst auf einen Kampf einlassen. Flucht war die einzige Option. Sie musste sich seinem Griff entziehen, dann hatte sie eine Chance.
    Aber wie? Seine Linke hielt ihre Schulter in stählerner Umklammerung. Seine Rechte lag unter ihrem Bauch wie eine knorrige Wurzel.
    Von den anderen Menschen in der Kirche hatten einige den Schrecken überwunden, eine Christusfigur in Bewegung zu sehen. Ausgerechnet Miriams Vater beugte sich als Erster über sie, versuchte unter den Achseln der Figur einen Halt zu finden und sie von dem Mädchen herunter zu zerren. Miriams Mutter und Onkel Werner rannten herbei, traten sich jedoch gegenseitig auf die Füße wie zwei schlechte Tänzer und konnten sich nicht einig werden, wie man am besten vorging. Sonja bekam ihre Bemühungen nur mit, wenn sie den Kopf ein wenig drehte. Wirkung war keine zu spüren.
    „Verflucht, er ist zu stark“, presste Onkel Werner hervor.
    „Hilf mir!“, kreischte Sonja.
    „Wir versuchen es ja, aber … au!“ Es gab einen dumpfen Schlag, dann ein Klirren. Onkel Werner stolperte zurück und rieb sich den Kopf. Offenbar hatte ihn dort etwas getroffen. Etwas, das von oben herabgefallen war. Eine der Lampen. Sie war von Onkel Werners Kopf abgeprallt und auf dem Boden zerschellt. Der Mann taumelte zu einer der Bänke, musste sich erst einmal setzen.
    „Weg hier!“, rief Miriams Mutter. „Es ist zu gefährlich!“
    „Sollen wir zusehen wie der Jesus sie umbringt?“, gab Miriams Vater mit verzerrter Miene zurück.
    „Das ist nicht Jesus!“
    „Natürlich ist es nicht Jesus, aber … ach, verdammt …“ Er ballte die Fäuste.
    „Du solltest aufhören zu fluchen, Vater“, bemerkte Miriam, deren Gesicht höchste Anspannung zeigte, aber auch eine perfide Art von Triumph. Sie bewegte sich langsam hin und her, öffnete und schloss ihre Hände, wippte auf den Zehen.
    Sonja hörte ein Schnappen. Sie hob den Blick, sah von schräg oben eine weitere Lampe herannahen. Miriams Vater, den sie beinahe getroffen hätte, sah sie ebenfalls kommen und konnte ihr ausweichen. Das Ding traf den Rücken der Holzfigur.
    „Two gods fighting“, kommentierte Julies Onkel. „One of them nothing but a child’s toy …“
    „Ja … Freddy … ist … ein … Spielzeug“, quetschte Sonja hervor. „Aber der … andere … ist es auch … ein Kuscheltier für … Erwachsene … aufgeblasen und …“
    „Diesen Frevel wirst du

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