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Freddy - Fremde Orte - Blick

Freddy - Fremde Orte - Blick

Titel: Freddy - Fremde Orte - Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Clauß
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Spiegelungen, die das Mikroskop in den Pupillen (in beiden Pupillen) des Mädchens sichtbar machte, sich nicht wiederholten wie der Inhalt des elf Minuten währenden Films, sondern immer anders waren, immer neu. Als Uhren und Kalender im Blickfeld der Frau auftauchten, konnten sie sich vergewissern, dass all das in Echtzeit ablaufen musste.
    Sie sahen live durch die Augen eines fremden Menschen in eine Schule im fernen Deutschland hinein, die sich mit rätselhaften Phänomenen, mit Magie, Spiritismus, kurz: mit dem Okkulten befasste. Zu den Schülerinnern gehörte auch Madoka Andô, die sich jetzt Madoka Tanigawa nannte.
    Viele Monate später gelang es Takase sogar, den Inhalt der Tonspur anzuzapfen, diese Fünfundfünfzigstel-Sekunde durch verschiedene Filter zu schicken und das Ergebnis auf einen Lautsprecher zu leiten. Damit wurde aus dem Stummfilm ein Tonfilm, und sie hörten, was die Frau hörte.
    Inzwischen kannten sie natürlich auch ihren Namen. Sie hatte ihn auf Klausurblätter, Briefe und in E-Mails geschrieben, und jetzt hörte man auch, wie die anderen ihn aussprachen.
    Sie hieß Melanie Kufleitner. Sie war auf unerklärliche Weise ein Teil des Films geworden, eingefügt wie eine subliminale Botschaft, und existierte doch auch weiter in ihrer eigentlichen Realität. Sie war ein Riss in den Dimensionen, ein Blick durch die Wirklichkeiten hindurch. Dr. Andô dachte lange darüber nach, und wenngleich er keine schlüssige Lösung für die vielen Rätsel fand, die ihnen dieser Filmstreifen aufgab, so lernte er doch vieles daraus.
    Die Welt war nicht das, wofür er sie sein Leben lang gehalten hatte.
    Sie war mehr.

7
    In einem Raum von sechs Quadratmetern hatte er Zuflucht gefunden, unter dem Dach. Das Zimmer gehörte einem ehemaligen Mitarbeiter von ihm und war als Abstellkammer benutzt worden. Dr. Andô musste dankbar dafür sein, dass es überhaupt noch jemanden gab, der ihn unterbrachte, ohne Fragen zu stellen. Der Mann war die meiste Zeit unterwegs, und so wurde er nicht gestört.
    Der Psychiater hatte keinen klaren Plan. Er verließ das Haus nicht, blieb bei dem Film. Stundenlang starrte er die Spule an, die er auf den Boden gelegt hatte. Ihm standen keine Geräte zur Verfügung, um den Film abzuspielen oder ihn in irgendeiner Weise zu untersuchen. Das einzige, was er angeschafft hatte, war ein Mikroskop. Er brauchte es, um in dem Bild von Melanie Kufleitner etwas zu erkennen.
    Lange genug – über zwei Jahre lang – hatte Takase den Film zu analysieren versucht, hatte ihn Tausende Male abgespielt, seine Bilder und seinen Ton bearbeitet, verfremdet, und sogar darin herumgeschnitten. Atemberaubende Ergebnisse hatte es gegeben, Dinge waren geschehen, die sich mit keinem der gängigen Wissenschaftsmodelle vereinbaren ließen. Und doch hatte Andô den Eindruck, dass man sich dem Film die ganze Zeit über nicht wirklich genähert hatte.
    Vielleicht war es nun an der Zeit, ihn als Ganzes zu sehen, ihm als Mensch, als Seele, gegenüberzutreten. Takase hatte die technischen Möglichkeiten ausgereizt – virtuos, zugegeben –, aber das konnte noch nicht alles sein. Es schien, als sei der Film durch die Energie einer Geistererscheinung zu dem gemacht worden, was er war. Also musste man auch auf geistigem Wege einen Zugang zu ihm finden können.
    Dr. Fumio Andô meditierte. Er tat es mit dem Ende des Filmstreifens zwischen den Fingern. In den ersten Tagen spürte er nicht viel. Er hatte das Gefühl, der Film sei müde, erschöpft von den Strapazen, die er in den letzten Jahren durchgemacht hatte. Er meinte eine Art Ablehnung spüren zu können, das war alles.
    Auch nach den Schatten hielt er Ausschau. Von ihnen war nichts zu sehen. Warum versuchten sie nicht, ihm den Film abzunehmen? Tat er vielleicht etwas Richtiges? Handelte er in ihrem Sinne?
    Nach einer Woche fühlte Dr. Andô, dass der Film auf ihn zu reagieren begann. Der Psychiater versetzte sich am Morgen in eine tiefe Meditation. Zuvor hatte er mit dem Mikroskop einen Blick durch das Einzelbild geworfen, das Melanie Kufleitner zeigte. Er sah durch ihre Augen und stellte überrascht fest, dass sie sich in Japan aufhielt. Sie war in einem Hotelzimmer, und nachdem er eine Stunde Geduld gehabt hatte, trat sogar Madoka ins Bild, seine Tochter. Sie hatte sich die Haare gekürzt und sah fremdartig aus, aber natürlich erkannte er sie.
    Im Lotussitz kauerte er sich auf den Boden und meditierte. Die Versenkung war diesmal besonders tief, was daher rühren

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