Frederica - sTdH 6
seiner langen Nase.
Er war gerade im Begriff gewesen zu sagen, daß die Heirat mit Sarah das war,
was er mehr als alles auf der Welt wünschte. Er hielt sie nicht für
unmoralisch. Er war der Ansicht, daß sie von den beiden skrupellosen Verführern
Guy Wentwater und Mr. Armitage auf Abwege gebracht worden war. Der Kurat
empfand die grobe Art und die lockere Moral des Pfarrers als schweres Kreuz.
Aber er war mit der Zeit zu der Ansicht gelangt, daß Gott seinen Glauben
dadurch prüfte, daß er ihn dazu bestimmt hatte, für Mr. Armitage zu arbeiten.
Das
Verlangen nach Sarah hatte seinen Gedanken eine entschieden weltliche Wendung
gegeben, und er war sich sicher, daß ein Mädchen mit einer Vorliebe für hübsche
Kleider und Schleifen einen mittellosen Kooperator abweisen würde, egal wie
verzweifelt es auch immer war.
Er sagte
langsam: »Es ist wirklich ein großes Opfer. Lassen Sie uns hoffen, daß Sarah
mich haben will.«
»Das möchte
ich ihr geraten haben.«
»Ich
glaube, sie würde mich heiraten, wenn sie ein schönes Zuhause hätte. Wie Sie
wissen, habe ich nur ein Zimmer über der Bäckerei. Auf der anderen Seite muß
man bedenken, daß Mr. Partridge vergangenen Monat gestorben ist, dessen
Cottage in Ihrem Besitz ist. Es hat einen wunderbaren Gemüsegarten.
Vorausgesetzt Sie sorgten dafür, daß ich genug Geld hätte, um eine Frau und
Kinder zu unterhalten, könnte ich Sarah vielleicht überreden.«
Der Pfarrer
runzelte die Stirn. Er trennte sich nicht gern von seinem Geld, es sei denn es
war gewinnversprechend in Hunden und Pferden angelegt.
»Sie haben
gesagt, daß mein großes Opfer nicht umsonst sein soll«, stachelte ihn Mr.
Pettifor sanft auf.
»Ich habe
gemeint, daß Er es belohnt«, antwortete der Pfarrer und deutete mit
scheinheiliger Miene in Richtung Dach.
»Ah, ja«,
sagte Mr. Pettifor. »Aber Sie, Mr. Armitage, sind Sein willfähriges Instrument.
Vielleicht hat Gott aber das Gefühl, daß Sie Sarah selbst heiraten sollten.«
Auf dem
Gesicht des Pfarrers spiegelte sich erneut Beunruhigung.
»Darüber
hinaus«, fuhr Mr. Pettifor fort, »glaube ich, daß das Opfer vielleicht doch zu
groß ist. Es war schließlich nicht ich, der das Mädchen verführte.«
»Alles, was
Sie wollen, Pettifor«, sprudelte der Pfarrer hastig hervor. »Geld, Cottage,
Garten ... alles.«
»Dann
kommen Sie vielleicht mit mir? Die arme Sarah ist von Mrs. Hammer in ihr Zimmer
eingesperrt worden.«
Als sie am
Ende der kurzen Auffahrt, die zum Pfarrhaus führte, angekommen waren, war der
Regen so heftig geworden, daß sie das Gebäude kaum sehen konnten.
Sie traten
in die Halle, wo ihnen Rose die Mäntel abnahm und sie mit gedämpfter Stimme
drängte, in den Salon zu gehen, wo das Feuer an sei – »aber der Kamin zieht
nicht gut«.
Der Pfarrer
schaute zustimmend in Roses langes Schafsgesicht. Von jetzt an, das schwor er
sich, wollte er nur noch die unscheinbarsten Hausmädchen einstellen, die er
finden konnte.
»Ich denke,
wir sollten zuerst Sarah aufsuchen«, sagte Mr. Pettifor, der die ersten
Anzeichen von Autorität erkennen ließ. »Bitten Sie Mrs. Hammer, ihr Zimmer
aufzusperren.«
Mrs. Hammer
kam aus der Küche herbeigeeilt. Sie hielt einen Schlüssel fest in der Hand und
schob ihre grauen Haarsträhnen unter ihr Häubchen zurück. Ihr breites Gesicht
sah mißbilligend und mürrisch aus. Sie ging die Treppe voran.
Das
Pfarrhaus war ein angenehmer Ort gewesen, sinnierte Mr. Pettifor, als Mrs.
Armitage noch lebte und alle Mädchen unverheiratet waren. Jetzt war alles
Weibliche trotz der Hausmädchen daraus verschwunden, und es war zu einer
Junggesellenwohnung geworden, die nach Rauch, feuchten Hunden und Brandy roch.
Sarahs
Zimmer war unter dem Dach. Als sie nach oben stiegen, hörten sie den Regen auf
das Dach trommeln und klopfen, als ob er Einlaß begehrte.
»Furchtbarer
Sturm«, bemerkte der Pfarrer. »Wir sollten diese vertrackte Angelegenheit
schnell hinter uns bringen, damit ich nachschauen kann, ob die Hundezwinger
dicht sind.«
Mr.
Pettifor kniff die Lippen mißbilligend zusammen. Der armen Sarah brach
wahrscheinlich das Herz, während sich ihr eiskalter Verführer um eine Meute
übelriechender Hunde Gedanken machte.
Der Pfarrer
war auf eine trotzige, sich geräuschvoll verteidigende Sarah gefaßt. Ein
heftiges Schuldgefühl überkam ihn, als er sie vollkommen niedergeschlagen am
Bettrand sitzen sah. Ihre Augen waren vom Weinen gerötet, und ihr Haar war
zerzaust.
Sarah hatte
genügend Zeit
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