Frederica - sTdH 6
ruhiger geworden. Reich und gutaussehend. Ein großer
Verführer. Er mag extravagante Leute. Und doch kommt er daher und bietet der
kleinen Frederica seine Gastfreundschaft an und, nicht nur das, er sagt, er
will sie nach London begleiten.«
Ein
Hoffnungsschimmer tauchte in den kleinen Äuglein des Pfarrers auf. »Meinst du
...?«
»Nicht eine
Sekunde lang, Charles. Nicht eine Sekunde lang. Da willst du viel zu
hoch hinaus. Nein, ich fürchte, es gefällt unserem großartigen Herzog, nett zu
einem Schulmädchen zu sein. Aber welche Wirkung werden seine Aufmerksamkeiten
auf ein derart verträumtes und romantisches Mädchen wie Frederica haben? Wenn
du für Sarah getan hast, was du kannst, solltest du meines Erachtens in die
Hauptstadt fahren und deine anderen Töchter bitten, dir bei der Suche nach
einem jungen Mann für Frederica zur Seite zu stehen.«
»Aber es
wird nur Minerva zur Saison da sein.«
»Dann
schreibe den anderen. Sie werden dir zu Hilfe kommen.«
»Kein
Problem«, sagte der Pfarrer. Dann verdüsterte sich seine Miene. »Ich wünschte,
das Problem Sarah würde sich als genauso einfach erweisen.«
Der Pfarrer
hielt sich so lange wie möglich bei seinem Wein auf und hoffte, daß ihm der
Squire anbot, ihn zum Pfarrhaus zu begleiten. Als der Squire jedoch keinerlei
Anzeichen erkennen ließ, seinen gemütlichen Platz vorm Feuer zu verlassen,
brach der Pfarrer schließlich widerstrebend auf.
Hochwürden
Charles Armitage ging gesenkten Hauptes durch den strömenden Regen. Seit dem
Tod seiner Frau hatte er sich nicht mehr so schuldig und unglücklich gefühlt.
Er bog durch das Friedhofstor in den Kirchhof ein. Mit schleppenden Schritten
näherte er sich dem Grab seiner Frau.
Langsam
nahm er seinen Hut ab. »Es war nicht meine Schuld, Mrs. Armitage«, sagte er.
»Du weißt, wie leichtsinnig Sarah ist. Warum beschuldigt man immer die Männer?
Die Frage ist jetzt ... was soll ich tun? Ich wäre nicht in so einem
Schlamassel, wenn du noch am Leben wärst. Frederica hat mich ganz furchtbar
abgewiesen. Du weißt, daß ich dir auf meine Art immer treu gewesen bin. Ich
habe nie zuvor mein eigenes Haus in den Schmutz gezogen. Aber was soll ich bloß
mit dem Mädchen machen?«
Die
Regentropfen schlugen dumpf auf das Grab auf und rannen wie Tränen das weiße
Marmorgesicht des Engels auf dem Grabstein hinunter.
Aber Mrs.
Armitage hatte nie eines der Probleme des Pfarrers lösen können als sie noch am
Leben war, vor allem, weil sie nie wirklich zuhörte, und obwohl er sie auf einmal
schmerzlich vermißte, wußte er doch, daß das einzige, was er wahrscheinlich vom
Stehen im strömenden Regen bekommen würde, ein schlimmer Anfall von
Rheumatismus war.
Mit einem
lauten Seufzer wandte er sich ab und betrat die düstere Kirche. Er fiel auf die
Knie und spürte eine Abneigung zu beten. Wenn Sein Auge auf dem Sperling ruhte,
wieviel besser mußte Er dann über die Sünden eines Landpfarrers Bescheid
wissen.
Der Pfarrer
zerbrach sich den Kopf über ein Opfer, mit dem er diesen Gott besänftigen
könnte, den er immer als eine Schöpfung William Blakes sah, mit langem Bart und buschigen
Augenbrauen, ein alter Kämpfer, der zu Gicht neigte.
Er hatte
schon einmal das Jagen aufgegeben, aber Gott schien an diesem Opfer nicht
besonders interessiert zu sein. Die naheliegendste Antwort war, Sarah zu
heiraten. Er stöhnte laut bei dem Gedanken. Plötzlich stand Sarah in zehn
Jahren vor seinem geistigen Auge – fett und schmuddelig und zänkisch.
»Nur das
nicht«, betete er laut. »O Gott, wenn doch nur jemand das Mädchen heiraten
würde.«
»Ich will
es«, sagte eine Stimme hinter ihm.
Dem
abergläubischen Pfarrer erstarrte das Blut in den Adern. »Wer ist da?«
flüsterte er.
»Ich bin's
... Mr. Pettifor.«
»Was
schleichen Sie hier herum und belauschen die Gebete eines Mannes?« wollte der
Pfarrer wissen, sprang auf und stöhnte noch einmal laut, diesmal, weil ihm der
Schmerz in die kalten, steifgefrorenen Beine fuhr.
»Sie haben
mich nicht bemerkt, Mr. Armitage«, sagte Mr. Pettifor. »Es war wie eine Antwort
auf meine Gebete, als ich Sie hörte. Ich bin bereit, Sarah Millet zu heiraten,
wenn sie mich will.«
Der Pfarrer
drehte sich um und stammelte ein hastiges »Danke« in Richtung Altar. Dann
wandte er sich wieder seinem Kurat zu und strahlte ihn an.
»Gesegnet
seist du, Kind Gottes«, rief er aus. »Ihr großes Opfer wird nicht umsonst
sein.«
Mr.
Pettifor zupfte nachdenklich mit Daumen und Zeigefinger an
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