Frederica - sTdH 6
bekommt man ja Kopfschmerzen.
Frederica Armitage ist fast noch ein Schulmädchen. Sie ist aus dem Seminar
weggelaufen, weil sie häusliche Probleme bedrückten. Sie interessiert sich
sowenig für mich wie ich mich für sie.«
»Warum
tanzt du denn nicht?«
Der Herzog
seufzte. »Um die Wahrheit zu sagen, Tommy, ich finde, daß alle die Damen hier
bemerkenswert gleich aussehen. Man kann sie kaum auseinanderhalten.«
»Da ist
guter Rat nicht teuer. Wenn du etwas Besonderes suchst, dann wirf einen Blick
auf die Dame, die gerade hereingekommen ist. Sie erinnert mich an eine Meerjungfrau.
Sie ist mit Lady Godolphin hier. Sag bloß nicht, daß das das
Armitage-Mädchen ist!«
Der Herzog
blickte über die wogenden Köpfe der Tänzer hinweg zum Eingang. Lady Godolphin
war absolut unverkennbar. Und neben ihr stand Frederica.
»Ich habe
den Eindruck, sie hat grüne Augen«, murmelte der Herzog. »Warum habe ich das
nicht schon früher bemerkt?«
»Sieh nur,
wie sie geschnitten wird!« rief Mr. Ward aus. »Und sie ist so jung und
zerbrechlich. Ich gehe auf der Stelle zu ihr ...«
Der Herzog
hinderte ihn daran, indem er ihm die Hand auf den Arm legte. »Die Freude lasse
ich mir nicht nehmen, lieber Tommy. Schließlich sind Miß Armitage und ich einander
schon einmal begegnet.«
Der Herzog
ging schnell zu der Stelle, an der Frederica mit Lady Godolphin Platz genommen
hatte. Fredericas Wangen waren leicht gerötet. Sie hatte gemerkt, daß man sie
absichtlich links liegen ließ, und wollte vor Scham im Boden versinken.
Neben ihr
schnaufte Lady Godolphin laut vor Wut. Frederica war überzeugt, daß sie nahe
daran war, eine Reihe von Flüchen auszustoßen.
Da hörte
sie eine tiefe, vertraute Stimme. »Ich habe mich schon die ganze Zeit darauf
gefreut, meine Bekanntschaft mit Miß Armitage zu vertiefen«, sagte der Herzog
von Pembury.
Lady
Godolphins Zorn verflog wie durch Zauberhand. Sie schenkte dem Herzog ihr
breites Krokodilslächeln. »Dann lasse ich Sie mit Frederica allein und knöpfe
mir ein. paar Klatschmäuler vor«, sagte sie im Aufstehen und schüttelte ihren
durchsichtigen Rock zurecht.
Der Herzog
setzte sich auf ihren Stuhl. Er wandte sich Frederica zu, die nervös mit ihrem
Fächer spielte, und musterte sie von oben bis unten.
»Ich
beglückwünsche Sie zu Ihrem Aussehen, Miß Armitage«, sagte er.
»Es ist
nett, daß Sie das sagen«, sagte Frederica dankbar, »aber ich weiß, daß Sie nur
freundlich sein wollen. Sie hätten nur sehen müssen, wie mich alle anstarrten
und mir dann den Rücken zukehrten. Ich muß wahrhaftig wie ein Ungeheuer
aussehen. Ich bin davon überzeugt, daß ich zuerst viel besser ausgesehen
habe, aber meine Schwester Carina, Lady Harry Desire, schrie, als sie mich sah,
und wollte mich nicht weglassen, bevor das ganze Zuckerwasser aus meinem Haar
gewaschen war.«
Der Herzog
lachte. »Zuckerwasser? Hat man versucht, einen Pudding aus Ihnen zu machen?«
»Nein«,
bekannte Frederica kindlich unbefangen. »Es sollte meine Locken festigen. Aber
Carina sagte, es sieht aus wie eine Perücke. Wenn ich jetzt nicht wie
ein Ungeheuer aussehe, warum sind sie dann alle so betont abweisend zu mir?«
»Weil Ihr
Abenteuer als Stubenmädchen bekannt geworden ist.«
»Ach du
liebe Güte«, sagte Frederica unglücklich. »Daran habe ich gar nicht gedacht.«
Ihre Miene hellte sich auf. »Ich bin so wenig gesellschaftsfähig, daß es keinen
Sinn für mich hat, in London zu bleiben. Ich kann nach Hause gehen.« Dann wurde
ihr Gesicht wieder betrübt. Carina hatte sie ganz genau über Sarah befragt, und
Frederica hatte ihr alles erzählt, weil sie dachte, Minerva habe ihren Brief
gelesen und die Sache sei kein Geheimnis mehr. Carina hatte deutlich gesagt,
daß Papa Sarah selbstverständlich nicht heiraten werde. Aber jetzt hatte
Frederica das ungute Gefühl, daß Papa recht daran täte, Sarah zu heiraten. Es
war alles so ungeheuer schwierig.
»Schauen
Sie doch nicht so bekümmert«, sagte er zärtlich. »Wenn ich mich Ihnen heute
abend widme, wird Sie die Gesellschaft wieder reumütig aufnehmen.«
»Sind Sie
denn so wichtig?« Frederica schaute ihn neugierig an.
»In der
unwichtigen Welt der oberen Zehntausend«, sagte er mit einer gewissen Schärfe,
»fragt man einen steinreichen Herzog im heiratsfähigen Alter nicht, ob er
wichtig ist. Das sollten Sie wissen.«
»Ich werde
es lernen«, seufzte Frederica. Sie schaute ihn vorsichtig an. »Hier im Almack,
wo ich Sie mit den anderen Herren vergleichen
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