Frederica - sTdH 6
hätten, wie
schlecht Dienstboten behandelt würden.
Daraufhin
hatte Carina eine Erklärung verlangt, und Frederica hatte ihr die ganze
Geschichte von ihrer Flucht aus dem Seminar, ihrer Arbeit als Stubenmädchen und
ihrer Nacht bei dem stürmischen Wetter erzählt. Das einzige, was sie Carina
nicht erzählte, war, daß sie in den Armen des Herzogs von Pembury geschlafen
hatte.
Carina, die
mit immer größer werdendem Entsetzen zugehört hatte, brachte schließlich
mühsam hervor: »Papa will Sarah heiraten?«
»Jetzt
nicht mehr«, antwortete Frederica. »Er hat Lady Godolphin geschrieben. Und Lady
Godolphin hat mir erzählt, daß Sarah in flagranti mit Guy Wentwater
ertappt worden sei.«
»Nein!«
»O doch,
und Sarah wird Mr. Pettifor heiraten, der sie anscheinend sehr liebt.«
Carina war
so schockiert über diese Enthüllungen gewesen, daß sie ganz vergessen hatte,
ihre jüngere Schwester davor zu warnen, dem Herzog von Pembury Gefühle der
Zuneigung entgegenzubringen.
Erst als
Frederica für den Ball im Almack schön gemacht wurde, fiel Carina der Herzog
ein, aber sie hatte das Gefühl, daß jetzt nicht der richtige Zeitpunkt sei. Der
Herzog würde zwar auf dem Ball sein, aber Herzöge tanzten nicht mit Mädchen wie
Frederica Armitage. In den kommenden Tagen würde noch mehr als genug Zeit sein,
Frederica zu warnen.
Carina saß
im Gelben Salon, während Mary, Martha, Lady Godolphins Kammerzofe, und Monsieur
André sich um Fredericas Aussehen bemühten.
Colonel
Arthur Brian, der ältere Herr, den Lady Godolphin als ihren ›Sissybo‹
bezeichnete, erschien, um die Lady auf den Ball zu begleiten.
Lady
Godolphin kam hereingewatschelt, ganz in durchsichtigem rosa Musselin, dessen
verführerische Wirkung allerdings durch das gewaltige blaue Korsett, das sie
deutlich sichtbar darunter trug, beeinträchtigt wurde.
Auf einmal
geriet Carina in Panik. Wenn Lady Godolphins
Martha zuließ, daß ihre Herrin in solch einem Aufzug ausging, was
stellte sie dann um Himmels willen mit der armen Frederica an?
Lady
Godolphin hatte unterdessen in ärgerlichem Ton begonnen, Colonel Brian
auszufragen, was dieser während der letzten Wochen getrieben habe. Sie
schleuderte ihm dann den Klatsch ins Gesicht, den Lady James ihr an den
Kopf geworfen hatte, und während der Oberst eifrig seine Unschuld beteuerte,
öffnete sich die Tür und Mice, Lady Godolphins Butler, kündigte Frederica an.
»O nein!« stöhnte Carina. »Was haben sie mit dir gemacht?«
Frederica
trug ein weißes Musselinkleid mit hoher Taille. Es war weit genug
ausgeschnitten, um die Unzulänglichkeiten ihres Busens zu enthüllen. Es hatte
weiße Spitzenärmel und eine weiße Spitzenhalbschleppe. Das Weiß schien das
bißchen Farbe, das Frederica hatte, noch aus ihr herauszuziehen, so daß sie
ganz und gar verloren wirkte, wie eine Kindbraut, die auf den Stufen zur Kirche
von ihrem Bräutigam verlassen worden war.
Ihr Haar
war in Locken gelegt, und die steifen, metallisch glänzenden Locken waren mit
weißen Seidenrosen verziert.
»Ist etwas
nicht in Ordnung, Carina?« fragte Frederica unsicher. »Mary sagt, man erkennt
mich gar nicht wieder, und ich muß gestehen, daß mein Kopf weh tut.«
»Dann setz
die furchtbare Perücke ab«, entfuhr es Carina.
»Es ist
keine Perücke«, sagte Frederica. »Die Locken wollten nicht halten, und deshalb
hat sie Monsieur André mit Zuckerwasser zusammengeklebt.«
»Oh, bitte
seien Sie doch still«, fuhr Carina Lady Godolphin und Colonel Brian an, die
laut miteinander stritten.
Sie rief
nach Mary. »Mir scheint, Sie haben mehr Verstand im Kopf als Myladys Kammerzofe
und Monsieur André. Nehmen Sie Miß Armitage sofort wieder mit hinauf und waschen
Sie ihr das Zeug aus den Haaren. Ich fahre nach Hause und hole ein paar Sachen.
Sie braucht unbedingt mehr Farbe.«
Frederica
schaute Lady Godolphin hilfesuchend an. Es hatte Stunden gedauert, bis sie
fertig war – Stunden, in denen ihr Haar geschnitten und eingedreht wurde, in
denen sie angezogen und parfümiert wurde. Das konnte sie doch nicht noch einmal
über sich ergehen lassen.
Aber Lady
Godolphin und Colonel Brian hatten ihren Streit noch nicht beigelegt. »Meine
Liebe«, bat Colonel Brian, »was ich brauche, ist deine Liebe.«
»Was du
brauchst, mein lieber Mann«, schrie Lady Godolphin, »ist ein Schlag von unten
in deine Bezeugungen.«
Carina warf
einen entsetzten Blick auf Lady Godolphin und schob Frederica aus dem Zimmer.
»Schnell«, drängte sie. »Ich bin
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