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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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auf, bau auf, bau auf, Freie deutsche Jugend, bau auf! Die Internationale erkämpft das Menschenrecht! Wenn der eine den andern begehrt. Wenn der eine den andern nicht wehrt. Wenn der eine den andern wortlos versteht. Wenn sich beide berührn, sich zärtlich verführn, findend verliern. Dann gehören sie zusammen eine Nacht … zusammen eine Nacht … zusammen eine Nacht. Der Ton zerfetzte. Die Platte hatte einen Riss … zusammen eine Nacht.
    Aber die Bilder: Bruno in seiner Blutlache. Wie im Film, auf einer Bühne. Vorhang auf, das Spiel beginnt! Sie sah sich im Arbeitertheater, auf Kleinkunstbühnen selbst auftreten. Frau Flint. Franziska Linkerhand. Trobadora Beatrix. Sie sang Chansons. Abende vor Publikum.Verneigung. Applaus. Kennst du das Land mit seinen alten Eichen, das Land von Einstein, von Karl Marx und Bach, wo jede Antwort endet mit dem Fragezeichen, wo ich ein Zimmer habe unterm Dach … Verneigung. Applaus. Wir gehen auf den Wegen zur Sonne, der Weg hat die Zukunft als Ziel, das Ziel unsrer Zukunft ist Sonne, die Zukunft hat Sonne im Ziel. Verneigung. Applaus.
    Die Autobahn zeigte endlos Beton. Dreieck Nossen. Dreieck Dresden-West. Superman hatte seine Waffe gesenkt, kämpfte wohl mit dem Schlaf. Er hatte die Augen geschlossen. Sie hörte leise Schnarchtöne. Kleine Blasen bildeten sich auf seinen Lippen. Catwoman war konzentriert und gab die Richtungen vor, rauchte. Der Weg hat die Zukunft als Ziel, das Ziel unsrer Zukunft ist Sonne. Frederike konnte sich nicht vorstellen, welche Zukunft sich die beiden Gangster erhofften. Sie konnten doch nicht wirklich glauben, dass sie vor der Strafverfolgung an irgendeinem Ort in der Welt sicher wären. Realitätsverlust. Wahnsinn. Das Ziel unsrer Zukunft ist Sonne. Das Ziel ihrer Zukunft war Tod. Ihr rannen Tränen die Wangen runter.
    Und wieder diese Bilder: Sie sah den Kain. Sah, wie sie ihm die Fesseln band. Zu fest und zu eng. Sie sah sein Gesicht von Schmerzen verzerrt. Kain war von den Toiletten wiedergekommen und hatte die Maske vor der Theke überwältigt. Ein Held. Neue Helden braucht das Land! Er hatte offensichtlich den zweiten der Gangster gar nicht bemerkt. Der schlug ihn bewusstlos. Kain war kein Draufgänger, wie er Buch stand, wie die Filme ihn zeigten. Kain überlegte, bevor er handelte. Bei Bruno war das oft anders gewesen. Aber Bruno war tot.
    Die Autobahn zeigte endlos Beton. Frederike sah die Lichter von Dresden. Selbst in der Nacht war der Talkessel hell. Dresden – Brunos Heimat. Tommi wohnte in dieser Stadt. Wohnung über dem Restaurant an der Elbbrücke. Hier hatte Bruno mit Lore gewohnt. Die Erinnerungen drückten. Lore war tot. Bruno war tot. Im Mai hatten Bruno und sie entspannende Tage bei Tommi zu Hause verbracht. Mit der S-Bahn waren sie in die Sächsische Schweiz gefahren, hatten Galerien und Konzerte besucht. Internationales Dixieland Festival. Sie hatte ihn sanft gezwungen. Das Nilpferd-Maskottchen lachte und schlug in die Seiten eines Banjos. Ice-Cream. Elb Meadow Ramblers. Karlheinz Drechsel.
    Sie fuhren jetzt an Dresden vorbei. Die Stadt, sie wusste von nichts. Dresden Süd. Dresden Prohlis. Sie rasten vorbei. Mit Bruno hatte Frederike vorm Fernsehturm gestanden. Geschlossen! Er blinkte jetzt über der Stadt in die Nacht. Standseilbahn. Luisenhof. Geliebte weiße Maus. Rolf Herricht. Karin Schröder. Sie sah die Verliebten unterm Sonnenschirm auf den Elbbogen zuschweben. Dort wichen die Wiesen heute Beton. Sie sah die Demonstranten, die Bäume beschützten. Sie las die Plakate Weltkulturerbe erhalten! Sie sah die Politikerfratzen. Millionen sind in den Bau geflossen, wir können ihn nicht mehr stoppen! Bruno hatte bekümmert die Reportagen verfolgt. Auf den Elbwiesen habe ich zum ersten Male geküsst. Anna-Maria Herklotz, vier Jahre älter. Und Bruno hatte etwas gegen den Touristennepp in der City, wo historische Bauten aus Pappmaché wie Pilze hervorschossen. How beautiful! Very nice! Bis die Kulissen fielen. Genauso sahen die Häuser aus: künstlich und tot. Bruno war sauer. Bruno war tot.
    Die Autobahn zeigte endlos Beton. Die Neubaugebiete lagen schwarz wie Ruinen. Industrieanlagen zerfielen. Bruno mochte die Heimatstadt nicht mehr leiden. Zu viel Pomp. Zu viel Fälschung. Zu viel Beamtenärschigkeit. Bruno liebte Leipzig. Liebte er sie? Aber Bruno war tot. Isabell war tot. Kain fuhr und hatte die Pistole im Nacken. Frederike nahm eine Flasche mit Wasser aus dem Kasten. Das Zischen des Verschlusses weckte den Superman

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