Frederikes Hoellenfahrt
denke ja, aber ich habe meine Blicke nicht immer auf den Eingang gerichtet. Da steht meistens Georgi oder der Achmed oder der Frank.« Patti lächelte. »Unsere Bodyguards, sozusagen. Denn Khalid will nicht jeden Deppen in seiner Bar.«
Das war ihr Stichwort: Türsteherszene. »Gab es etwas mit Ihrem Sicherheitspersonal Probleme?«
»Keine Ahnung. Aber Angebote von Sicherheitsfirmen wird Khalid abgelehnt haben. Er arbeitete gern mit Bekannten zusammen.« Patricia Thede sah der Kommissarin direkt ins Gesicht. Schabowski fühlte sich durchschaut. »Ich weiß, worauf Sie hinauswollen, Frau Kommissarin: Diskokrieg. Hier hat er nicht gewütet, und ich bin bei diesem Thema garantiert der falsche Ansprechpartner.«
Schabowski ging nicht darauf ein. »Rauschgift? Drogen?«
»Was, hier im BARocko?« Das Mädchen hinter dem Bartresen schien ehrlich erstaunt. »Mir ist nichts aufgefallen. Und das hätte es müssen. Aber was weiß ich, was Khalid im Hinterzimmer getrieben hat.«
Khalid. Patricia Thede nannte den Ermordeten beim Vornamen. »Sagen Sie, kannten Sie Khalid Georgieff privat?«
»Nein. Wieso?«
»Weil Sie ihn beim Vornamen nennen. Gemeinhin setzt das ein enges Verhältnis voraus, und Georgieff war Ihr Chef. Waren Sie mit ihm befreundet?«
»Sind Sie mit Ihrem Chef befreundet?«
Schabowski verneinte, beinahe empört.
Patti Thede lächelte. »Wir haben uns alle im BARocko geduzt. Auch den Chef.« Sie füllte sich auch ein Glas mit Wasser und trank. »Wir sind ein junges Team. Einer ist so viel wert wie der andre.« Sie stellte ihr leeres Glas vor sich hin und schien den üblen Geschmack nicht bemerkt zu haben.
Schabowski roch an ihrem Glas. Sie probierte. Es erfrischte und war angenehm temperiert. Was war vordem im Glas gewesen? »Weil Sie das Wort Diskokrieg vorhin benutzten … Schien Ihnen das BARocko darin verwickelt?«
»Ich weiß gar nicht, worum es in diesem Krieg geht. Ich lese nur die Schlagzeilen von Mafia und Toten und Verletzten.« Patricia Thede griff selbst zu den Salzstangen. »Und bis die mit der Pistole hier reingerannt kamen, ist mir nichts aufgefallen. Ich stehe hinter der Bar. Fragen Sie wegen Krieg und der Mafia die, die das BARocko jetzt übernehmen.«
»Wissen Sie, wer das ist?«
Patricia Thede schien im Gespräch mit der Kommissarin die Geduld zu verlieren. »Wo stehe ich hier?« Sie beugte sich über den Tresen. »Ich bediene die Gäste. Ich bekomme drei Euro die Stunde und bin am Umsatz beteiligt.« Sie schob ihren Oberkörper wieder zurück. Schabowski schien sie noch unter den Jugendschutz zu fallen. War dieses Mädchen überhaupt achtzehn? »Ich mache hier keinen Profit. Ich habe keine Ahnung, was Khalid in seinem Geschäftszimmer trieb.« Eine kurze Pause, sie atmete tief. »Und jetzt will ich nach Hause.«
Schabowski überhörte die Bitte. »Hatte Khalid Georgieff Feinde?«
»Wer hat die nicht. Das BARocko lief gut. Natürlich gibt’s Neider, die hier das große Geld machen wollen.«
Schabowski hatte keine Erklärung, warum sie sich in diese Zeugin verbiss. Patricia Thede sah nicht aus, als ob sie fragwürdige Geschäfte betrieb. Ein Mädchen, das sich für ein paar Groschen die Nächte um die Ohren schlug und jetzt endlich ins Bett wollte. »Wann schließen Sie für gewöhnlich?«
»Gewöhnlich schließen wir gar nicht. Manche sitzen bis sechse, sieben und torkeln dann gleich zum Frühschoppen weiter. Freitag, Sonnabend ist die Bude hier voll. Da kommen sie von weit her. Den Abend heute wird mir ohne Umsatz kein Mensch bezahlen.«
Schabowski suchte ihr Portemonnaie und schob ihr zehn Euro über den Tresen. »Fürs Wasser von vorhin und jetzt.«
»War aber nur aus der Leitung.« Patricia Thede nahm das Geld trotzdem.
»Sind die anderen Zeugen nach Hause gegangen?«
Jetzt schaute das Mädchen, als ob sie die Welt nicht begriffe. »Woher soll ich das wissen?«
Sie hatte recht. Die lange Nacht ließ Hauptkommissarin Agnes Schabowski nicht mehr richtig denken.
»Das gibt es nicht!«, schrie jemand aus dem Büro nebenan. »Schau dir das an!« Schabowski und Patti Thede gingen langsam zum Tatraum. Im Büro zeigte einer der Techniker auf seinen Laptop. Sie sahen unscharf eine Autobahn und wankende Lichter. Über dem Bild war zu lesen: Live – die Flucht der Leipziger Geiselgangster. Ab jetzt wurden die Mörder vermarktet.
Die Zeugin fing an zu weinen. Agnes Schabowski nahm Patricia Thede wie ein Kind in den Arm.
4:30
Sie blickte aus dem Fenster, und sie sah
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