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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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nur aufstehen und hinübergreifen. Keine zwei Meter. Aber alles tat höllisch weh.
    Ehrlicher lokalisierte die beißendste Quelle des Schmerzes. Oberarm links. Der Schuss. Dann war er wahrscheinlich aufs Pflaster geknallt. Er wusste es nicht. Aber er sah noch Frederike über ihn stürzen. Frederike! Frederike und Kain! Ehrlicher drückte den Notfallknopf, und kurz darauf kam die Schwester.
    »Sie wünschen?« Es klang wie im Hotel. Kain hatte als Kellner genauso gesprochen. Bei Frederike hatte es immer anders geklungen. Warmherzig, nicht offiziell.
    »Mein Handy, bitte. Ich muss telefonieren. Würden Sie es mir aus meinen Sachen holen?«
    »Nein.« Die Schwester lächelte nicht mehr. »Sie sind verletzt. Sie brauchen Ruhe. Sie liegen nicht ohne Grund auf meiner Station. Und im Krankenhaus sind Handys verboten.« Sie sprach, als würde sie Gesetzestexte rezitieren.
    »Aber ich muss …«
    »Sie müssen genesen, Herr Ehrlicher, wieder gesund werden. Dafür brauchen Sie kein Handy. Ruhen Sie sich aus.« Sie holte tief Luft, als wäre sie es, die litt. »Frühstück kommt gleich.« Dann schloss sie die Tür hinter sich mit leichtem Knall.
    Das kann doch nicht wahr sein! Ehrlicher fühlte seinen Blutdruck steigen. Frederike und Kain und zwanzig Geiseln! und er lag im Bett und sollte genesen. Was bildete sich diese Person denn ein! Er war Kriminalhauptkommissar und Frederike in der Gewalt von Geiselgangstern! Er konnte nicht einfach im Bett liegen und Ringer-Acetat in sich hineinlaufen lassen. Er musste wissen, wie es Frederike und Kain ging, was mit ihnen geschah. Waren sie tot?
    Er würde es allein schaffen. Er brauchte keine Hilfe. Vorsichtig stellte er den linken Fuß aufs Linoleum. Er stand, er brach nicht zusammen. Ehrlicher schob sich vorwärts, dem Kleiderschrank zu. Für die Öffnung der Tür musste er den Arm bewegen. Er konnte einen Seufzer nicht unterdrücken. Wirklich, da hingen Hose, Jackett, Hemd und Krawatte. Er fischte in allen erreichbaren Taschen. Das Handy fand er nicht, auch kein Portemonnaie. So eine Scheiße! Sie hatten ihm alles abgenommen. Krankenhaus war wie Gefängnis.
    Ehrlicher ließ sich auf sein Bett zurückfallen. Sein Puls schien in allen Gliedern zu klopfen. Im Kopf war er nicht auszuhalten. Die Tabletten schienen gar keine Wirkung zu haben. Abgeschnitten von der Welt, konnte er nur in seinen Schmerzen dahindämmern. Frederike und Kain! Was war mit ihnen passiert? Wohin wurden sie von den Tätern verschleppt? Sah er sie wieder?
    Ehrlicher dämmerte dem Frühstück entgegen. Die Tür flog auf, die Schwester stellte ein Tablett auf die schwenkbare Platte des Nachtschranks. »Guten Appetit wünsche ich«, sagte sie, »Tee oder Kaffee?«
    »Kaffee.«
    »Kaffee«, nickte sie und verschwand lautlos.
    Ehrlicher sah auf den Teller. Zwanzig Gramm Butter in Stanniol. Ein Plastebecherchen Marmelade mit zwei fettgemalten Pflaumen obendrauf. Ein Brötchen, das einem Betonklotz ähnelte. Eine dünngeschnittene Bemme. Mein Gott, da waren seine einsamen Mahlzeiten daheim Feste. Wahrscheinlich schrieben die Krankenkassen diese Diät vor. Er wusste, dass er nichts schlucken könnte. Hoffentlich hatte der Kaffee Geschmack.
    Es läutete. Ehrlicher erkannte die Melodie seines Handys. Der Ton kam aus dem Schuber unter dem Frühstückstablett. Wirklich, da lag es. Auch sein Portemonnaie fand Ehrlicher dort. Alles in Ordnung. Er verzieh der Krankenschwester und sah auf dem Display: Tommi.
    »Tommi …«
    »Sag mal, wo bist du? Hast du das von Frederike gehört? Weißt du, wohin die Gangster mit ihr wollen und mit dem Kain? Es hat Tote gegeben? Papa, wie geht’s dir? Kann ich dir helfen? Soll ich kommen? Ich lasse hier alles stehen und liegen.«
    Ehrlicher unterbrach die Kette der Fragen. »Woher weißt du, was passiert ist? Wer hat dich informiert?«
    »Die ganze Welt sieht, was passiert. Sie übertragen es live. Sie fahren hinter Brno die Autobahn lang. Im Fernseher siehst du’s. Sie kommentieren es wie eine Sportreportage. Mich haben die Journalisten aus dem Bett geholt. Gesa hat das gar nicht gefallen. Zumal sie nicht wieder einschlafen konnte. Papa, was ist los? Sie haben von Verletzten und Toten gesprochen.«
    »Gesa? Muss ich die kennen?«
    »Du kennst sie. Sie leitet seit einem Jahr bei mir die Küche.« Ehrlicher schwamm das Bild einer fülligen Frau mit kirschroten Lippen vor Augen. Diese Frau hieß Gesa und verantwortete Tommis Speisekarte? Jetzt konnte sie nicht mehr schlafen, weil er mit seinem

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