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Frederikes Hoellenfahrt

Frederikes Hoellenfahrt

Titel: Frederikes Hoellenfahrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henner Kotte
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sie unberechtigt war. Und, verdammt, er konnte nichts tun. Nichts, er war nicht vor Ort und traf nicht die letztgültigen Entscheidungen. Zu viele Unbeteiligte wären gefährdet, hatten die Kollegen gemeldet. Zugriff nicht möglich!
    In Leipzig schien das ganze Präsidium auf den Beinen. Menschen hasteten über die Gänge. Stimmten brüllten in Telefonhörer. Die Presse belagerte das Gebäude. Politiker fragten. So hatte er das hier noch nie erlebt. Der Teufel war los.
    In jedem Zimmer konnte man auf Monitoren die Flucht verfolgen. Die Bildschirme zeigten gezeichnete Landkarten, auf den anderen waren verwackelte und unscharfe Aufnahmen aus dem Hubschrauber und den Polizeifahrzeugen zu sehen. Miersch dachte an die Boulevard-Magazine: O. J. Simpson, Littleton, Die dümmsten Autofahrer der Welt. Heute würden sie live aus Leipzig senden. Die Moderatoren wählten ihre Standorte visuell günstig: Vorm Präsidium, Blick aufs Neue Rathaus. Das war schön anzusehen. Keine Frage.
    Die Flüchtenden näherten sich der ungarischen Hauptstadt. Sie im Präsidium arbeiteten mit allen betroffenen Ländern eng zusammen. Nach einem ungarischen Dolmetscher hatten sie suchen müssen. Der serbische hatte bereits Quartier bezogen und Kontakt aufgenommen. Auf den rumänischen warteten sie. Keiner wusste, wo diese Fahrt enden würde. Sie hatten Einsatzpläne erstellt. Sie mussten den Geiseln zu Hilfe kommen, seit zwölf Stunden befanden sich Frederike und Kain in der Gewalt der Kidnapper. Eine Möglichkeit war der Zugriff auf dieser Tankstelle gewesen. Sie hatten die Möglichkeiten diskutiert. Sie hatten sich entschieden. Sie gaben den Kollegen grünes Licht. Flucht beenden! Wenn möglich ohne Waffen und Gewalt! Siebenhundertfünfzig Kilometer dauerte die Flucht bereits an. Sie mussten sich am Steuer abwechseln, auch die Täter waren seit mehr als vierundzwanzig Stunden ohne Schlaf. Dass die Masken gestern noch Mittagsruhe gehalten hatten, konnte sich Miersch nicht vorstellen. Die Täter mussten entspannen, wie er, wenn er sich wieder konzentrieren wollte. Auch Miersch war momentan am Ende seiner Leistungsfähigkeit.
    Telefone läuteten auf sämtlichen Tischen. Hände griffen nach Hörern und machten sich Notizen. Agnes Schabowski schaute ins Zimmer. Miersch hatte vergessen, womit er sie betraut hatte. Sie hatte geglaubt, es sei ihr Fall, bis er ihn ihr aus der Hand nehmen musste. Keine Frage, Agnes Schabowski war talentiert, umsichtig, aber schwach in der Teamleitung. Das hätte dieser Fall nicht vertragen, er geriet zum Politikum, selbst er war sich nicht jeder Entscheidung sicher. Vielleicht war es doch nicht die beste Idee gewesen, die dienstbeflissene Agnes Schabowski auf den Posten des Pensionisten Ehrlichers geschoben zu haben. Es hatte Zweifel an dieser Beförderung gegeben. Die Kommissare Schmitt und Kohlund, Beierlein und Steudel hatten ihm ihre Kritik mehr als deutlich gemacht. Seilschaften made in Westen! Aber Miersch war Kriminaldirektor, nicht die Herren, die sich übergangen fühlten. Bislang hatte Agnes Schabowski ihn aber nicht enttäuscht. Sie leistete erstklassige Arbeit. Zurzeit fühlte er sich selbst auf seinem Posten nicht sicher.
    »Herr Direktor, kann ich Sie mal auf eine Minute sprechen?«
    Miersch konnte nur nicken und bot ihr einen Stuhl an. Sie lächelte freundlich und wollte ihn über ihre geleistete Arbeit informieren. Nur Miersch wusste nicht, was sie im Fall ermitteln sollte. Er hoffte, sie fragte nicht nach. Offensichtlich hatte sie Ergebnisse, auf die sie stolz war.
    »Frau Kollegin, was gibt’s?«
    »Vielleicht eine Spur, die die Identität der Entführer klärt.«
    »Ach, was!« Miersch war ehrlich überrascht. »Erzählen Sie!«
    »Ich habe noch einmal mit den Augenzeugen im BARocko gesprochen. Ganz so, wie Sie wollten.« Die schmierte ihm Honig um den Mund. »Die Zeugen konnten sich an weitere Details erinnern. Auch einen Spitznamen glaubte einer verstanden zu haben.«
    »Ja?« Den Direktor hielt es nicht länger auf seinem Stuhl. »Der ist?«
    »Lippi.«
    »Lippi?«
    »Ja, Lippi.«
    »Komischer Name.«
    »Aber er findet vielleicht eine einfache Erklärung. Die Zeugen beschrieben Pickel oder eine Wunde am Mund des größeren Täters.«
    »Dann schauen Sie in die Karteien. Vielleicht finden Sie ihn.«
    »Das werde ich gleich tun. Nur machte mich stutzig, dass der Zeuge meinte, den Kleineren habe man Lippi gerufen, der hatte gar keinen Pickel am Mund.«
    »Wie auch immer. Aber es ist vielleicht eine

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