Frederikes Hoellenfahrt
Befehl.
Miersch schluckte erschrocken den Schokolodenbatzen hinunter. Er floss wie heißes Metall durch seine Kehle und lag danach wie ein Stein in seinem Magen. »Wie haben Sie mich gefunden?«
»Wie geht es ihnen?«
»Budapest. Wir hatten bisher keine Chance, die Flucht zu beenden.«
»Leben sie?«
»Wir gehen davon aus und setzen alles daran, ihr Leben zu retten. Ehrlicher, Sie kennen die Vorschriften.«
»Aber Sie wissen es nicht?«
»Ehrlicher, unsere Aufnahmen zeigen vier Personen im Auto. Mit einer Leiche würde sich keiner belasten.«
»Ich gehöre zum Stab. Lassen Sie mich dabei sein!«
»Nein. Sie wissen, dass das nicht geht. Sie gehören nicht mehr zum Team. Sie kennen die Vorschriften. Ehrlicher, so leid es mir tut …«
Ehrlicher sprang vom Stuhl, schob den Kellner beiseite. »Nein, ich möchte nichts trinken!« Miersch sah Ehrlichers Gesicht bedenklich auf sich zukommen. »Für die Drecksarbeit bin ich gut genug. Das meinen Sie nicht ernst, Herr Direktor!«
Miersch wich zurück. »Doch.«
»Ich gehöre zum Team!« Ehrlicher klopfte mit seiner gesunden Rechten auf den Tisch. »Ich werde weiter zum Team gehören. Meine Lebensgefährtin, mein Kollege sind in Gefahr, ich werde alles …« Jetzt flog seine Faust auf den Tisch. »… alles tun, um sie zu retten!«
»Ehrlicher, wenn Kollegen persönlich in einen Fall involviert sind, dürfen sie erst recht nicht an den Ermittlungen teilnehmen. Auch aus diesem Grund sind Sie draußen. Ehrlicher, ich werde sie über jeden Fortschritt sofort informieren. Versprochen.« Und Miersch streckte seine Hand aus, auf die Ehrlicher schlug.
»Abgeschoben ins Krankenhaus haben Sie mich. Dachten, mich dort zu entsorgen. Aber das lasse ich mir nicht bieten!«
»Ehrlicher, sehen Sie es ein, es geht nicht. Warten Sie ab. Auch wir tun alles, um das Leben der beiden zu retten.«
»Das sehe ich! Sich mit Schokolade vollstopfen und den lieben Gott einen frommen Mann sein lassen.« Ehrlichers Gesicht nahm eine ungesund rote Farbe an. »Sie tun nichts, Herr Direktor, nichts! Wie immer lassen Sie die andern machen. Wer hat denn die Leitung, Kommissarin Schabowski?«
Miersch geriet in eine Defensive, die er nicht wollte. »Nein.«
»Diesmal werden Sie sich nicht vor der Verantwortung drücken!« Ehrlicher hatte plötzlich sein Handy in einen Fotoapparat umfunktioniert und drückte mehrmals den Auslöser. »Die Presse wird sich über die Aufnahmen freuen. So sieht der Sondereinsatz des Herrn Kriminaldirektors aus: Kaffee und Kuchen. Es sterben Menschen da draußen!«
Miersch saß regungslos auf seinem Stuhl. Die Bedienung und ein früher Kunde im Stübchen blickten ihn an. Der Kellner griff bereits zum Telefonhörer. Miersch kapitulierte. »Wie haben Sie mich eigentlich hier gefunden?«
»Wenn Sie schon Schokolade essen, sollten Sie die Verpackung mit Preisschild und Namen des Händlers nicht im Papierkorb entsorgen.« Miersch war konsterniert. »Ihr Fluchtort ist längst kein Geheimnis. Nur haben wir Kollegen es akzeptiert und Stillschweigen gegenüber der Presse gewahrt. Das kann sich ändern.«
»Ehrlicher, das ist Erpressung!«
»Nennen Sie es, wie Sie wollen. Bin ich wieder dabei?« Der Kriminaldirektor enthielt sich jeder Reaktion. Ehrlicher setzte sich neben ihn. »Ich bestelle mir einen Kaffee, und Sie bringen mich auf den neusten Stand.«
»Schokolade. Hier trinkt man Schokolade, Herr Kommissar.«
Ehrlicher lächelte und bestellte Kaffee, schwarz, ohne Zucker.
10:25
Sie sah auf Münder, Haaransätze, Münder, Münder, Augen, Münder. Sie sah Pickel. Sie sah Hasenscharten. Sie sah Bartstoppeln. Schabowski wälzte Täterkarteien, wälzte Namenskataloge. Spitznamen waren häufig. Eisenkraut. Lollipop. Sandmann. Sie las Pieter das Vieh, Rudi die Ratte, Nudelkoch und Stumpenhannes. Sie hatte weder ein Phantombild noch eine detaillierte Beschreibung. Sie blätterte auf gut Glück. Das hatte manchem Kriminalisten geholfen. Ihr half es nicht.
Agnes Schabowski hätte gern von einem Erfolg berichtet. Während sich die Kollegen an den Geiselnehmern die Zähne ausbissen. Die fuhren Richtung Süden durch Ungarn. Mit Frederike und Kain. Sie war froh, dass Miersch die Leitung an sich gerissen hatte. Sie war sich nicht sicher, ob sie Koordination und Leitung bewältigt hätte. Sie wälzte alte Akten und hoffte, einen Hinweis auf die Täter finden zu können. Sie sah auf junge Männergesichter. Die Biografien ähnelten sich. Sozial benachteiligt, hatten viele auf
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