FreeBook Das Geheimnis von Mikosma - Geblendet
seid. Ihr kennt doch den Spruch: Lügen haben kurze Beine oder hat euch die Bosheit nicht in die Höhe wachsen lassen?«
Leandra legte den Kopf zur Seite und erwartete die Reaktion des Wichtes. Der zog seinen Hut vom Kopf und verbeugte sich vor dem Mädchen.
»Vor solch einer Schlagfertigkeit muss ich passen. Respekt, junge Dame, so schnell fehlen mir sonst nicht die Worte! Endlich treffe ich jemanden, der seine Gedanken wirklich ausspricht! Das ist wunderbar!«
Lachend hielt er Leandra die Hand entgegen, die sie sofort ergriff und er bedankte sich für ihre Spontaneität. Seine Gehilfinnen, zwei kleine Feen, flatterten nun zwischen den Kindern umher und boten ihre Lose an. Auch Leandra griff in die Trommel und fischte einen kleinen Zettel heraus.
»Ich habe eigentlich immer Pech und ziehe Nieten«, meinte sie lachend, »aber vielleicht bringt mir ja dieser Tag Glück!«
Henry und Luca rissen sogleich ihre Lose auf und freuten sich über einen großen, weißen Plüschbären und ein riesiges, feuerrotes Herz aus Kaugummi. Mit geschlossenen Augen öffnete auch Leandra ihres und rollte es langsam auf. Vorsichtig warf sie einen Blick darauf und musste enttäuscht feststellen, dass darauf ein kleiner, schwarzer Schlüssel aufgedruckt war.
Sie reichte es dem Zwerg, der sofort zu rufen begann und wild mit seinen Armen in der Luft herumfuchtelte: »Meine Damen und Herren, bitte bleibt noch einen Moment stehen und schenkt mir euer Gehör. Diese junge Dame«, dabei deutete er auf Leandra, »hat soeben den Ladenhüter des Jahrhunderts gelost: einen eisernen Schlüssel! Schon seit Ewigkeiten liegt er hier unter den Preisen. Ich habe immer denjenigen bedauert, der ihn eines Tages erhalten würde. Betrachte ihn also eher als Trostpreis als einen Gewinn. Ich bin sehr froh, dass ich ihn endlich los bin!«
Feierlich hob er den kleinen Schlüssel aus einer Schatulle, die auf dem Regal stand und reichte ihn Leandra. Sie nahm ihn mit einem schiefen Lächeln entgegen. Wieder wusste Leandra den Spott der Kinder auf ihrer Seite. Warum hatte sie auch immer Pech mit dem Losen? Sie ärgerte sich, dass sie in die Trommel gegriffen hatte und ließ den Schlüssel grob in ihrer Hosentasche verschwinden.
»Bitte Leandra, zieh ein Los für mich! Ich will einen Staubsauger oder einen Wischmopp gewinnen«, bat Luca mit hoher Stimme und prustete erneut los.
Henry stieß ihm gekünstelt gegen das Schienbein und stimmte in das Gelächter mit ein. Leandra zog ihren rechten Mundwinkel nach oben und ließ die beiden deutlich merken, dass sie ihr Benehmen absolut daneben fand. Da sich die beiden vor Lachen aufeinander stützten und nicht den Anschein machten, bald damit aufzuhören, ging Leandra genervt weiter. Henry und Luca stolperten hinter ihr her, wobei sie immer wieder von Lachkrämpfen geschüttelt wurden. Schließlich stand Leandra vor dem riesigen Labyrinth, das ihr eher Angst einjagte als Freude brachte. Himmelhohe Wände führten in die dunklen Gänge hinein. Kalte Luft drang aus dem Inneren hervor und verursachte ihr eine Gänsehaut. Endlich kamen auch Henry und Luca dorthin und postierten sich neben Leandra. Ihr Lachen war im Nu erloschen und ein lauter Pfiff drang durch Lucas Zahnlücke.
»Na, da hat sich der unbekannte Spender selbst übertroffen. Ein solches Megalabyrinth muss ja ein Vermögen gekostet haben«, stammelte Henry und ließ seine Blicke fachmännisch über die Anlage gleiten. »Es hat bestimmt viel Zeit und Mühe gekostet, dieses Ding zu entwerfen und zu bauen.«
»Mir ist egal, wie teuer es war. Es macht mir Angst«, stellte Luca trotzig fest und trat einen Schritt näher an Leandra heran.
Henry ging zum Eingang und griff nach einer Fackel, die neben vielen anderen an der Wand befestigt war. Mit großen Augen leuchtete er den Gang aus und winkte seine beiden Freunde heran. Widerwillig griffen auch sie jeweils nach einer Fackel und folgten Henry.
»Alle Wege eines Irrgartens führen in die Mitte. Dort wartet in der Regel eine Überraschung auf den Bezwinger. Ich schlage vor, dass wir uns aufteilen. So gelingt es uns vielleicht schneller, das Ziel zu erreichen«, schlug Henry vor.
»Oh nein. Bitte nicht trennen«, wisperte Luca mit zitternder Stimme und presste die Fackel eng an sich.
»So viel Angst haben nur Mädchen«, neckte ihn Leandra, obwohl ihr selbst nicht wohl bei dem Gedanken war, allein durch diese riesigen, schwarzen Gänge zu tapsen.
Aber wie immer war die Neugierde größer als die Vernunft und dem
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