FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
den Kampf im offenen Feld spezialisiert als auf die Erstürmung von Festungen.
Doch gestern war endlich der kaiserliche Feldherr Johann Graf von Tilly mit seinem Heer eingetroffen. Zusammen bildeten sie nun eine Armee von fast 27 000 Mann. Sie bestand aus ungarischen, kroatischen, polnischen, italienischen, spanischen, französischen und deutschen Söldnern, die schon seit Jahren für den katholischen Kaiser kämpften. Diese Männer kannten nichts anderes als den Krieg.
Georg Ackermann war klar, dass sie nicht aus Überzeugung oder Frömmigkeit in diesen Glaubenskrieg gezogen waren, sondern um Beute zu machen. »Der Krieg ernährt den Krieg«, lautete die Regel. Zahlten die besetzten Gebiete keinen Tribut, wurden sie geplündert. Zurück blieben zerstörte Landschaften, abgebrannte Höfe und Dörfer und Berge von Leichen.
Tillys Armee war nach ihrer Ankunft am Vortag rund um Magdeburg in Stellung gebracht worden. Der Generalissimus hatte sein Quartier in Möckern aufgeschlagen, das Magazin befand sich südöstlich davon in Zerbst, und die Reiterei hatte in Havelberg Unterkunft gefunden.
Nach den letzten Meldungen wollten Tilly und Pappenheim nicht lange zögern und Magdeburg schon in den nächsten Tagen angreifen. Wann genau, stand noch nicht fest. Das würden die Kapitäne der verschiedenen Kompanien erst kurz zuvor erfahren, um Spionen keine Möglichkeit des Verrats zu lassen.
Georg Ackermann hatte, wie schon oft in den vergangenen Monaten, unruhig geschlafen und fühlte sich deshalb wie zerschlagen. Sein Kopf war hohl und leer, und das geschäftige Treiben des Heerlagers hörte er nur dumpf und verschwommen.
Er blickte zum wolkenverhangenen Himmel empor und seufzte. Heute würde wieder ein trüber Tag werden – ein Tag, der so richtig zu seiner Stimmung passte.
Seit letztem Herbst war sein inneres Feuer erloschen. Von einem Tag zum anderen hatte er keine Energie und keinen Schwung mehr. Er wusste auch nicht, warum.
Natürlich hatte er sich vor seinen Männern und den Vorgesetzten nichts anmerken lassen. Ohne den Respekt der Söldner oder Landsknechte würde er keine Autorität besitzen, und sollten Feldmarschall von Pappenheim und sein Stab spüren, wie ausgebrannt er war, würden sie ihn sofort fallen lassen. Nein, er durfte vor den anderen keine Schwäche zeigen.
Georg Ackermann war einen Kopf größer als die meisten Söldner. Schulterlange, blonde Locken, hohe Stirn, blitzende, graublaue Augen und ein sauber ausrasierter Schnurr- und Kinnbart – der dreißigjährige Offizier war ein attraktiver Mann, dem die Töchter der Söldner, die Mägde und Marketenderinnen des Trosses häufig verstohlene Blicke zuwarfen.
In den letzten Jahren hatte er sich zum Kapitän emporgearbeitet, obwohl er nicht aus adeligem Hause kam. Zum einen verdankte er dies dem hohen Ausfall an Offizieren in den vergangenen Schlachten, zum anderen war er ein taktischer Denker mit rascher Auffassungsgabe, dazu auch geschickt im Umgang mit Pike, Schwert und Muskete.
Da Graf von Pappenheim hauptsächlich eine Kürassiereinheit befehligte, fehlten ihm erfahrene und geschickte Offiziere, die eine Kompanie von Landsknechten ausbilden und befehligen konnten. Seine Kürassiere konnten zwar im vollen Galopp schießen oder mit Säbel und Lanze vom Pferd aus kämpfen, aber wie man in Sekundenschnelle eine Riposte, einen Wall von Piken aufstellte, wie man die Hellebarde gebrauchte und wie man als Rondartschier mit Rundschild und Langschwert kämpfte, davon wussten seine Reiter nicht viel.
Gottfried Heinrich Graf zu Pappenheim war der junge Georg Ackermann aufgefallen, als dieser in einer Schlacht die kaiserliche Fahne mit seinem Schwert heldenhaft verteidigt und schließlich die verstreuten Söldner um sich gesammelt hatte, sodass sie wieder ein geschlossenes Geviert bilden konnten. Der junge Mann hatte offensichtlich Führungsqualitäten und einen eisernen Willen. Der Feldmarschall ernannte ihn deshalb am folgenden Tag zum Leutnant, ließ ihn vom Kapitän seiner Kompanie ausbilden, und als dieser zwei Jahre später von einer verirrten Musketenkugel tödlich getroffen wurde, ernannte ihn Graf zu Pappenheim zu dessen Nachfolger.
Die dreihundert Landsknechte seiner Kompanie und seine Offiziere – allesamt erfahrene Söldner aus aller Herren Länder – akzeptierten ihn sofort als ihren Kapitän. Auch wenn die meisten, wie sein Leutnant Klaus Münzhofer, älter waren als er, bewunderten sie Georg Ackermanns Mut, Besonnenheit und sein
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