FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
taktisches Geschick. Er war kein aufgeblasener Laffe wie manch andere Offiziere, die allesamt aus dem Adelsstand kamen. Seine ruhige, freundliche Art, Probleme zu lösen und Streit zu schlichten, machte ihn beliebt und geachtet.
Eigentlich konnte Georg Ackermann sich nicht beschweren. Er hatte einen Burschen, der für ihn sorgte, und zwei Leibwächter – sogenannte Trabanten – die ihm den Rücken freihielten. Der Koch der Kompanie hatte es mit seinen Künsten bisher immer geschafft, alle Landsknechte zufriedenzustellen, auch wenn der für die Verpflegung zuständige Fourier manchmal nicht genügend Proviant heranschaffen konnte. Und weil er, obwohl er nun Kapitän war, vom Koch keine teuren Speisen für sich forderte, sondern jeden Tag zusammen mit seinen Männern aß, achteten diese ihn umso mehr. Kein Wunder, dass seine Söldner ein verschworener Haufe waren.
Trotzdem fühlte er sich nun müde, ausgebrannt und leer – jetzt, wo er einen hohen militärischen Rang erreicht hatte und sich eigentlich freuen und seinen Erfolg genießen könnte. Vielleicht war er auch einfach in all den Jahren kriegsmüde geworden. Er hatte zu viele Schlachten durchgestanden, zu viele Tote, Schwerverletzte und Verstümmelte gesehen, zu viel Leid, Gewalt und Unrecht erlebt. Und der Krieg schien kein Ende zu nehmen. Jahr für Jahr wurde er von den unversöhnlichen Gegnern neu angeheizt. Die einst blühenden Landschaften Deutschlands waren verwüstet, die Bauern ausgeplündert und ihres Viehs beraubt. Hunger, Pest und Cholera forderten ihren Tribut. Was der Krieg nicht verschlang, das holte sich der Tod auf andere Weise. Und er, Georg Ackermann, mischte mit bei diesem mörderischen Spiel, und dafür schämte er sich inzwischen.
Seine Gedanken wanderten zurück in seine Jugendzeit. Neun Jahre war es nun her, seit man ihn zum Militärdienst gezwungen hatte. Geboren und aufgewachsen war er in Ober-Ramstadt, einem kleinen südhessischen Flecken südöstlich von Darmstadt, in den Hügeln des Odenwaldes. Sein Vater war Bediensteter des Landgrafen von Hessen-Darmstadt gewesen und hatte nebenbei eine kleine Landwirtschaft geführt.
Olaf Ackermann hatte sich immer gewünscht, dass sein Sohn Georg einmal als sein Nachfolger in die Dienste des Grafen treten würde. Deshalb hatte er ihm alle Bildung ermöglicht, die er sich leisten konnte. Lesen, Schreiben und Latein gehörten ebenso dazu wie höfisches Auftreten oder die Schwertkunst.
Die Dorfbewohner hatten bisher nicht viel vom Krieg mitbekommen. Mord, Plünderung und Totschlag erschienen ihnen so fern wie der Papst in Rom. Doch dann war der protestantische Heerführer Graf Peter Ernst von Mansfeld nach seinem Sieg über Generalleutnant Johann Tserclaes Graf von Tilly mit Hunderten von Söldnern im Darmstädter Raum eingefallen. Sie raubten den Bauern das Vieh, plünderten die Häuser und brannten diese nieder. Wer sich wehrte oder protestierte, wurde von den Söldnern niedergehauen, ganz gleich ob Katholik oder Lutheraner. Und Georg Ackermanns Eltern waren Lutheraner gewesen. Zwei von Mansfelds Männern hatten sie einfach niedergestochen und den einundzwanzigjährigen Georg gefesselt, geknebelt und ihn anschließend zu ihrem Kommandeur geschleppt.
»Entweder du wirst Soldat, Junge, und ziehst mit uns, oder wir hängen dich gleich hier an der Dorflinde auf.« Diese Worte des Grafen würde er nicht mehr vergessen.
Georg Ackermann wollte leben, auch wenn er Mansfeld und seine Totschläger bis aufs Blut hasste. Also entschied er sich, seinen Hass zu verbergen und Söldner zu werden. Doch eines Tages würde er es den Mördern seiner Eltern heimzahlen. Das hatte er sich insgeheim geschworen.
Seine Ausbildung an den Waffen war kurz gewesen. Trotzdem war er anderen Männern schon bald an Geschick und Schnelligkeit überlegen. Das fiel sogar dem Heerführer auf.
»Aus dir wird noch etwas«, sagte ihm Ernst von Mansfeld eines Tages und klopfte ihm dabei auf die Schulter.
»Danke, Herr«, antwortete ihm Georg Ackermann und senkte demütig seinen Kopf, »aber darf ich Sie etwas fragen?«
»Nur zu, was möchtest du wissen, mein Junge?«
»Herr, wir sind im Krieg mit den Katholischen. Warum plündern und töten wir auch Lutheraner?«
Ernst von Mansfeld lächelte dünn und strich sich über seine zurückgekämmten lockigen Haare. Die gelbbraunen Augen und der Spitzbart gaben seinem dünnen, dreieckigen Gesicht den Ausdruck eines lauernden Wolfes.
»Du bist noch jung und unerfahren. Aber
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