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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

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Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Wittwer
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flackernde Kerzenlicht, das durch die danebenstehende, mit Wasser gefüllte Glaskugel reflektiert und in der ganzen Wohnstube verbreitet wurde. Meistens war er dann in Gedanken woanders gewesen, während er in die Glaskugel starrte – beim Fechten oder bei den Mädchen am Dorfbrunnen. Doch hin und wieder waren Verse der Heiligen Schrift zu ihm durchgedrungen und in seinem Gedächtnis haften geblieben, so wie das Wort von der Rache.
    Georg Ackermann war zwar lutherisch erzogen worden, aber im Grunde fand er diese ganzen Streitereien um Glaubensfragen wenig interessant. Darum sollte sich der Pfarrer in der Kirche kümmern. Seine Mutter war traurig über diese Gleichgültigkeit. Er wusste, dass sie für ihn gebetet hatte, und auch die Worte seines Vater klangen noch in seinem Ohr: »Georg, nicht du wirst Gott finden, aber eines Tages wird Gott dich finden.« Er hatte damals nur mit den Schultern gezuckt und die Wohnstube verlassen. Vielleicht aber war dieser Tag nun doch nicht mehr fern.
    So entschloss sich Georg Ackermann in der Nacht vor dem Abzug nach Kaiserslautern aus dem Lager zu fliehen und die Mörder seiner Eltern der Rache Gottes zu überlassen. Kurz nachdem lautes Schnarchen anzeigte, dass die meisten Söldner im Tiefschlaf lagen, erhob er sich leise, steckte sich nur einen Dolch in den Gürtel und huschte zum Rand des Lagers.
    »Muss mal austreten«, murmelte er schlaftrunken, während er an der Wache vorbeiging. Die nickte nur gelangweilt und ließ ihn passieren.
    Zwei Minuten später glitt er beinahe geräuschlos in den Fluss, ließ sich eine Zeitlang bewegungslos treiben, um aus Hörweite der Lagerwache zu kommen, und schwamm dann mit kräftigen Zügen zur anderen Rheinseite hinüber. Die starke Strömung trieb ihn mehrere hundert Schritt ab, doch das war ihm nur recht so.
    Als er schließlich das andere Ufer erreichte, brauchte er sich nicht vorzusehen, sondern stieg ohne weitere Vorsichtsmaßnahmen die Böschung empor.
    Er überlegte nur kurz und wandte sich dann nach Süden. Sollte man eine Gruppe Reiter über die Rheinbrücke bei Worms schicken, um den Deserteur einzufangen, würden diese sicherlich vermuten, dass er zurück in seine Heimatstadt gelaufen war. Doch diesen Gefallen tat er ihnen nicht. Er wusste, was ihm blühte, sollte man ihn fassen: Prügelstrafe, bis die Haut in Fetzen hing und danach der Strick!
    Es war aber auch möglich, dass eine andere Gruppe nach Süden ritt und sich in das von Tilly kontrollierte Gebiet wagte. Er hatte also keine Zeit zu verlieren, selbst wenn erfahrene Läufer auf Dauer meist schneller als Reiter waren.
    Deshalb lief er langsam und gleichmäßig den Treidelpfad entlang, auf dem Schiffer tagsüber ihre Boote von Maultieren stromaufwärts ziehen ließen. Erst als sich der Himmel über den Hügeln des Odenwaldes von der aufgehenden Sonne rot färbte, suchte er nach einem Unterschlupf.
    Es würde bald regnen, und er war müde und ausgelaugt vom langen Marsch in der Nacht. Seine nasse Kleidung hatte seine Haut zwischen den Beinen, unter den Achseln und auch seine Brustwarzen wund gescheuert. Aufgeplatzte Blasen brannten unter seinen Füßen. Es wurde dringend Zeit für eine Pause.
    Er wandte sich der Hügelkette zu und lief einem schmalen Pfad entlang, der zu einem kleinen Waldstück führte, einem Häglein, wie es die Einheimischen nannten. Hinter Büschen versteckt fand er eine verlassene Köhlerhütte. Er stieß die Tür auf und blickte hinein. Es war schmutzig und roch nach Rauch, verfaultem Holz und Schimmel. Doch in der Ecke war ein Lager. Auch wenn er sich vor dessen Modergeruch ekelte, ließ er sich darauf nieder und zog eine schmutzige Decke über seinen ausgelaugten Körper.
    Am liebsten hätte er ein Feuer angezündet, um seine Kleidung zu trocknen und sich aufzuwärmen, aber in der Hütte gab es weder Feuerstein noch Zunder, geschweige denn Schwefelhölzer, die man am glimmenden Zunder entzünden konnte. Außerdem hätte der Rauch ihn an mögliche Verfolger verraten. Er hatte also keine Wahl. Müde und erschöpft fiel er schon bald in einen traumlosen Schlaf.
    »Los, wach auf, Bursche!«
    Georg Ackermann schreckte hoch und starrte auf drei bärtige Männer in altmodischer Landsknechtstracht. Ihre Hosen und Jackenärmel waren kunstvoll aufgeschlitzt, sodass das bunte Innenfutter herausquoll und sie breitschultriger und mächtiger erscheinen ließ, als sie in Wirklichkeit waren. Alle trugen einen Brustharnisch, jedoch keinen Helm, sondern einen

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