FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
Auch meine Mutter ist daran gestorben. Dafür kann man doch nicht Menschen verantwortlich machen.«
Sie blickte Benno an, als wüsste er die Antwort.
»Ich habe mich das auch schon gefragt, und dabei ist mir etwas aufgefallen, Rosa.«
»Was?«
»Nur wenige Juden sind an der Pest gestorben.«
»Und warum?«, wollte Rosa nun wissen.
»Manche Christen haben behauptet, die Juden seien mit dem Teufel im Bund gewesen. Deshalb habe die Pest sie verschont. Andere glaubten, dass sie immer noch Gottes besonderes Volk seien. Der Segen, den Gott auf Abraham, Isaak und Jakob gelegt habe, hätte sie bewahrt.«
Benno schüttelte fast unmerklich seinen Kopf.
»Und was denken Sie?«, fragte ihn Rosa.
»Mir ist etwas aufgefallen: Die jüdischen Ghettos waren immer sauber. Juden werfen weder ihre Küchenabfälle auf die Gasse, noch leeren sie die Nachttöpfe vor ihrer Haustür. Das hat Gott ihnen durch Mose geboten. Außerdem waschen sie ihre Kleider regelmäßig und baden mindestens einmal in der Woche. Ich denke, das ist ihr Geheimnis. Sie halten sich an die Regeln des Alten Testaments – in diesem Fall die Regeln für Sauberkeit und Reinheit – während Christen gewöhnlich der Meinung sind, dieser Teil der Bibel hätte ihnen nicht mehr viel zu sagen.«
Rosa schaute ihn groß an. Dann sagte sie: »Dann sind die Christen also selbst schuld an der Pest? Wollen Sie das damit sagen?«
Benno nickte und ergänzte: »Natürlich nicht der einzelne Christ, sondern die Christenheit im Ganzen. Auch wenn sich jemand an all diese Regeln für Sauberkeit hält, kann er sich dennoch anstecken. Aber die Wahrscheinlichkeit ist geringer, dass die Pest ihn trifft. Es ist vielleicht so ähnlich wie mit diesem Krieg. Große Teile der Bevölkerung waren dafür, nicht neutral zu bleiben, sondern sich auf die Seite der Schweden zu schlagen, und sie haben den Rat der Stadt mit Protesten und Tumulten dazu gezwungen. Man kann sagen, sie haben sich den Kelch selbst eingeschenkt, den sie nun trinken müssen. Doch viele Unschuldige, die Frieden wollten und sich dafür eingesetzt haben, werden leiden müssen oder umkommen. Kanonen- und Musketenkugeln treffen im Krieg auch diejenigen, die es nicht verdient haben.«
Ein Mann im grünen Wams und braunen Haaren, lief an ihnen vorüber und rempelte Benno an der Schulter. Er drehte sich nur kurz um und murmelte: »Entschuldigung, bin in Eile!«, und rannte weiter.
»Benno, das ist der Ratsherr, von dem ich Ihnen erzählt habe«, sagte Rosa aufgeregt.
»Der sich mit dem schmierigen Kerl treffen wollte?«
»Genau der!«
»Das ist wirklich ungewöhnlich, wenn ein solch feiner Herr sich mit einer zwielichtigen Gestalt treffen will! Dazu noch irgendwo unten im Dom, wo es dort doch keine Krypta gibt.«
»Wo der nur hinwill?«
»Es sah erst so aus, als wenn er Berta Emmerichs Haus betreten wollte. Doch was will ein Mann wie der schon bei dieser Frau? Mir war nur, als hätte er es sich anders überlegt, nachdem er dich gesehen hatte.«
Benno zuckte mit den Schultern.
»Wahrscheinlich sehe ich Gespenster, und er will nur alle seine Dukaten vor Tillys Söldnern in Sicherheit bringen. – Wir müssen jetzt auch überlegen, wie es mit uns weitergeht.«
Rosa blickte ihn mit krauser Stirn an.
»Was meinen Sie mit ›Wie es mit uns weitergeht‹?«
»Ja, was wir machen sollen, wenn Tilly nun die Stadt belagert? Ob wir den Mordfall Emmerich weiterverfolgen oder einfach zu den Akten legen sollen? Seine Frau hat schon recht: Wen interessiert im Krieg schon der Tod eines Mannes?«
»Mich interessiert er«, sagte Rosa fest.
»Sie sind also weiter dabei?«
»Ich bin dabei, auf jeden Fall!«
»Ich habe auch nichts anderes von Ihnen erwartet«, erwiderte Benno und lächelte sie schelmisch an.
9.
Georg Ackermann saß schlecht gelaunt auf einem Schemel am Eingang seines Zeltes. Pappenheims Armee lag nun schon seit vier Monaten vor den Toren Magdeburgs. Sie hatten das Erzstift im Handstreich genommen, weil Christian Wilhelms Söldner nur mäßig bewaffnet und mies ausgebildet waren. Die Männer waren wie die Hasen geflohen, als sie den Tross von Feldmarschall Gottfried Heinrich zu Pappenheim anrücken sahen, und hatten Schutz hinter den Mauern der Stadt gesucht. Aber mehr konnten die Pappenheimer nicht ausrichten. Irgendwie saßen sie nun selbst fest. Die meisten Soldaten waren Kürassiere, Soldaten, die zu Pferde kämpften. Nur wenige der 10 000 Mann starken Truppe waren Fußsoldaten, und auch die waren eher auf
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