FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
antwortete sie fast entrüstet: »Natürlich hat er alles mitgenommen, was unten im Kontor lag, und auch mein Haushaltsgeld hat er eingesteckt, nur den Notgroschen nicht. Doch wenn er gewusst hätte, wo der liegt, dann …«
Sie brach ab.
»Was hätten Sie getan, wenn Ihr Gatte Ihnen den Notgroschen genommen und verprasst hätte?«, wollte Benno wissen.
»Ich hätte ihn erwürgt!«, antworte Berta Emmerich spontan und zeigte ihre gelben Zähne, als wenn sie zu lächeln versuchte.
Benno und Rosa versuchten, höflich mitzulachen.
»Hatte Ihr Gatte Feinde?«, wechselte Benno das Thema. Rosa und er hatten genug gehört, um zu wissen, dass Klaus Emmerich kein Geizkragen gewesen war und sein Leben auf Reisen offensichtlich genossen hatte. Und ihnen war auch klar, dass Geld für Berta Emmerich der Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens war.
»Was hatten Sie gefragt?«
Die Witwe schaute ihn verständnislos an.
»Hatte Ihr Gatte Feinde?«, wiederholte Benno seine Frage.
Sie zuckte mit den Schultern.
»Kann ich nicht sagen.«
Sie machte eine kurze Pause, dann gab sie zu: »Ja, er war streitsüchtig, hat ständig herumgeschimpft und mich auch hart angefasst, aber ich habe ihn jedes Mal in seine Schranken verwiesen!«
Die letzten Worte klangen ziemlich siegessicher. Berta Emmerich hatte sich also von ihrem Mann nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Benno und Rosa konnten sich gut vorstellen, wie der Alltag der beiden ausgesehen hatte: Er wollte sich etwas kaufen, doch sie rückte keinen Groschen heraus. Er schimpfte deswegen mit ihr, packte sie am Arm, und sie schlug ihm dafür ins Gesicht. Nur wenn er auf Geschäftsreise ging, erhielt er eine abgezählte Menge von Münzen, über die er später einzeln Rechenschaft ablegen musste. Deshalb »passierte« es ihm immer wieder, dass er Geld verlor, wenn er unterwegs war. Was er in Wirklichkeit damit gemacht hatte, konnte man leicht erraten.
Witwe Emmerich überlegte kurz, dann fuhr sie fort: »Eins muss ich Ihnen noch sagen. Auch wenn er evangelisch getauft worden ist und regelmäßig zur Kirche ging, hat Klaus doch mit den Katholischen geliebäugelt. Einmal hat er sogar gesagt, er würde Tilly die Tore Magdeburgs öffnen, nur um es diesen verlogenen Protestanten zu zeigen.«
»Sie hatten wenige Freunde hier in der Stadt, nicht wahr?«
Rosa blickte die Witwe mitfühlend an.
»Weniger als wenig«, antwortete diese gallebitter. »Wer nicht sein Geld um den Hals hängt, damit protzt und für jeden Tingeltangel auf die Straße wirft, der ist hier nicht gern gesehen. Und wenn man dann noch solch einen Streithahn und Sauertopf als Gemahl hat wie Klaus Emmerich, dann hat man wirklich nichts zu lachen. Nicht mal die Nachbarn grüßen mich!«
Benno fragte sich, ob nicht vielleicht sie selbst die Ursache war, dass man die Emmerichs nur als Kaufleute duldete, niemand aber engeren Kontakt zu ihnen suchte.
Plötzlich schoss Benno ein erschreckender Gedanke durch den Kopf.
Was wäre, wenn Berta Emmerich ihren Mann selbst umgebracht hätte, weil er mit der Kontor- und Haushaltskasse durchbrennen wollte? War diese Frau dazu überhaupt fähig?
Er blickte die hagere Frau prüfend an.
Ja, sie war es! Für Geld würde sie alles tun, sogar ihren »verschwenderischen« Ehemann ertränken. Daran zweifelte er kein bisschen.
Doch hatte sie es auch getan?
»Was halten Sie von der Schattengestalt Ihres Mannes im Dom?«, fragte Rosa Witwe Emmerich. »Sie waren doch auch dort, als dieser Schatten an der Decke herumgeisterte.«
»Ach, das war doch nur ein dummer Jungenstreich!«, winkte die Frau ab. »Da hat jemand sicherlich einen Scherenschnitt auf eine Laterne geklebt, und schon kann man den Toten wieder auferstehen lassen.«
»Sie haben recht«, stimmte ihr Rosa zu. »Ich bin im Dom geblieben und habe den Mann mit der Laterne gesehen. Er hatte tatsächlich einen Scherenschnitt auf seiner Laterne, der Ihrem Mann ähnelte.«
»Wirklich? Und wer war dieser Witzbold?«, wollte Berta Emmerich wissen.
»Sie werden es nicht erraten.«
Rosa blickte die Frau interessiert an.
»Nun spannen Sie mich nicht auf die Folter. Sagen Sie es mir.«
»Es war Ihr Mann.«
Die Kaufmannswitwe schaute Rosa verwirrt an.
»Wie bitte?«
»Es war Ihr Mann! Klaus Emmerich. Sie können es mir glauben. Ich habe ihn mit meinen eigenen Augen gesehen.«
»Sie spinnen ja! Mein Mann ist tot!«
Berta Emmerich fasste sich an den Kopf.
»Nein, es ist die Wahrheit! Ihr Mann lebt!«
»Stimmt das?«
Die Frau blickte
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