FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
Hilfe suchend auf Benno.
»Ja, es stimmt!«, bestätigte ihr Benno. »Es war Ihr Gatte. Sie können Rosa Münkoff glauben.«
»Das kann nicht sein!«
Berta Emmerich schüttelte entschieden ihren Kopf, als wäre es ihr gar nicht lieb, wenn ihr Ehemann noch leben würde. Jedenfalls schien es Benno so.
»Mein Mann ist doch tot! Ich habe seine Leiche identifiziert, und ich kenne seinen armseligen Körper nur zu gut! Das können Sie mir glauben! Auch wenn er jetzt aufgedunsen und zerfressen war, ich habe ihn gleich erkannt.«
Berta Emmerich sprach über den Toten, als wäre er nicht einmal ein entfernter Verwandter. Da war keine Trauer in ihrer Stimme, kein Entsetzen, sondern nur Entrüstung darüber, dass ihr Ehemann angeblich noch leben und der Leichnam einem anderen gehören sollte.
»Sie können meinen Gatten nicht gesehen haben! Entweder Sie haben das nur geträumt oder Sie wollen mich verkohlen. Klaus Emmerich ist tot!«
»Er ist es nicht«, wiederholte Rosa bestimmt, »oder hatte Ihr Mann etwa einen Bruder, der ihm sehr ähnlich ist? Vielleicht sogar einen Zwillingsbruder?«
Berta Emmerich schüttelte mit Nachdruck ihren Kopf.
»Nein, mein Ehegatte hatte keine Geschwister, und seine Eltern starben kurz nach seiner Geburt. Er wurde deshalb von einer Kaufmannswitwe großgezogen. Da ist niemand, der ihm ähnlich sieht.«
»Vielleicht aber gibt es doch einen Doppelgänger«, beharrte Rosa auf ihren Gedanken. »Anders kann ich mir diese Ähnlichkeit nicht erklären.«
Jemand rief etwas unten auf der Straße. Ein anderer antwortete ihm fragend. Eine Frau schrie panisch auf. Stimmengewirr und lautes Rufen vermischten sich.
»Was ist da unten los?«
Rosa blickte Benno fragend an. Der zuckte nur mit den Schultern.
»Ach, der Pöbel hat immer etwas, über das er sich das Maul zerreißt«, wehrte Berta Emmerich ab.
»Nein, ich glaube nicht, dass es diesmal um Getratsche geht«, meinte Benno.
Er stand auf, ging zum Fenster und schaute durch die blinden Scheiben. Draußen standen Menschen in kleinen Gruppen und diskutierten aufgeregt miteinander.
Kurz entschlossen öffnete Benno das Fenster. In diesem Moment begannen die Glocken des Doms Sturm zu läuten.
»Was ist passiert?«, rief Benno einem der Passanten zu.
Der hob nur kurz den Kopf und antwortete: »Tilly steht mit seinen Truppen vor der Stadt.«
»Johann Tserclaes Graf von Tilly?«
»Ja, sag ich doch.«
Benno wandte sich betroffen an Rosa und Berta Emmerich: »Sie sagen, Tilly sei mit seiner Streitmacht gekommen.«
Rosa wurde blass im Gesicht.
»Dann wird es jetzt ernst«, sagte sie tonlos. »Diesmal wird er uns nicht schonen.«
»Das denke ich auch«, stimmte Benno ihr zu. »Komm, lassen Sie uns gehen. Wir müssen wissen, was geschehen ist.«
Er wandte sich Berta Emmerich zu: »Um den Mord an Ihrem Gatten kümmere ich mich später. Bitte entschuldigen Sie uns für heute. Sie verstehen sicherlich, dass uns jetzt etwas anderes beschäftigt.«
»Ja, gehen Sie nur, junger Herr«, erwiderte diese ein wenig bitter, »was bedeutet schon der Tod eines alten Mannes, wenn bald Hunderte und Tausende sterben werden?! Sie können den Fall sowieso nicht lösen!«
Die Witwe lachte dabei kurz und trocken auf. Fast klang es wie Schadenfreude.
Benno und Rosa atmeten auf, als sie die Haustür hinter sich schließen konnten. Selbst im Anblick des bevorstehenden Krieges, hatten sie sich in diesem heruntergekommenen, düsteren Haus und im Beisein seiner Bewohnerin beklommen und wie unter einem dunklen Zwang gefühlt.
»Nun bin ich aber froh, dass wir endlich gehen konnten«, sagte Benno zu Rosa.
Sie nickte zustimmend: »Ich habe dort kaum Luft bekommen. Mit dieser Frau könnte ich nicht zusammenleben!«
»Ich auch nicht. Wenn der Emmerich nicht so entsetzlich zugerichtet worden wäre, man könnte annehmen, er habe sich selbst aus Verzweiflung ertränkt.«
Rosa verzog ihren Mund zu einem halben Grinsen, doch wurde schnell wieder ernst.
»Wir haben hier nur dieses eine kurze Leben«, sagte sie mit einem Bedauern in der Stimme, »und doch setzen viele Menschen alles daran, um es sich schwer zu machen, statt sich darüber zu freuen, dass Gott uns so viel Chancen und Möglichkeiten geschenkt hat.«
Benno nickte.
»Viele Menschen klagen Gott an, weil so viel Leid und Gewalt herrscht. Dabei sind wir es selbst, die das meiste Leid verursachen.«
»Ja, auch dieser Krieg müsste nicht sein. Doch was ist mit den vielen Toten, die von der Pest weggerafft worden sind?
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