FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
Menschen mit seinen Händen zu beschwichtigen. »Es ist kein Menschenblut, es stammt wahrscheinlich von einem Schwein.«
»Woher wollen Sie das wissen, Sie Naseweis«, rief einer der Umstehenden, und die anderen nickten zustimmend.
»Ich bin Advokat und kenne mich mit solchen Dingen aus. Außerdem untersuche ich den Mordfall Emmerich.«
»Anwalt?«, lachte der Rufer. »Das Urteil eines Schlachtermeisters wäre mir da lieber als das eines Bücherwurms.«
Benno seufzte und wandte sich den beiden jungen Frauen zu: »Kommt, gehen wir in den Dom. Vielleicht hat dieses Emmerich-Phantom Spuren hinterlassen.«
Sie nickten und folgten ihm zur Tür, immer darauf bedacht, in keine der vielen Blutlachen zu treten.
Im Dom war es angenehm kühl. Der hohe Raum ließ in ihnen Gefühle der Erfurcht aufsteigen, genau wie es die Baumeister beabsichtigt hatten. Sie unterhielten sich nur leise miteinander, um die Stille des Gotteshauses nicht zu stören. Im Halbdunkel des Raumes suchten sie den Fußboden nach Spuren ab. Tatsächlich, Anneliese entdeckte schon bald blutige Fußabdrücke. Sie führten quer durch das Kirchenschiff nach Osten zum Chor, wo Kaiser Otto I. vor dem Hochaltar in seinem Sarkophag ruhte.
»Er ist nicht mehr auf dem Turm«, sagte sie halblaut, ein wenig stolz über ihre Entdeckung. »Hier seht.«
Benno und Rosa eilten zu ihr und sahen sofort die blutigen Fußspuren.
»Tatsächlich«, bestätigte Benno, »er ist zum Chor gegangen. Aber warum nur?«
Sie folgten der Spur, traten durch einen Durchgang in einer verzierten Mauer und standen vor dem Sarkophag des ersten deutschen Kaisers. Hier endeten die Fußspuren. Die drei sahen sich ratlos an.
»Wo ist er hin«, wollte Rosa wissen, »und warum ist er hierher gegangen, statt gleich zu verschwinden? Und wer ist er überhaupt?«
»Genau das ist die Frage, auf die wir bis jetzt keine Antwort gefunden haben. Wenn klar ist, wer hier den toten Emmerich spielt und warum, dann werden wir den Mord schnell aufklären können«, meinte Benno.
»Könnte es Bernhard von Absberg gewesen sein?«, schlug Anneliese vor.
»Wer ist Bernhard von Absberg?«
Rosa blickte die beiden fragend an.
»Der Ratsherr, den Sie mit dem heruntergekommenen Kerl beobachtet haben, und der mich vor dem Haus von Berta Emmerich fast umgerannt hat«, erklärte Benno.
»Ach so, und der heißt Bernhard von Absberg?«
»Wir vermuten es zumindest. Anneliese kennt ihn. Er ist vor einigen Jahren aus Franken nach Magdeburg gezogen.«
Rosa schüttelte ihren Kopf: »Nein, der kann es nicht gewesen sein. Dieser von Absberg ist kleiner und schmächtiger als die Gestalt, die ich im Dom beobachtet habe. Außerdem hatte dieses Phantom keinen Bart.«
»Ja, aber Anneliese meint, er könnte eine Maske aus Wachs getragen haben, und durch eine ausgepolsterte Mönchskutte könnte er dicker und größer aussehen.«
»Ja, das wäre möglich«, gab Rosa ein wenig widerstrebend zu, »aber warum sollte dieser von Absberg so etwas machen? Was führt er im Schilde?«
»Die Leute erschrecken? Einfach ein wenig Spaß haben?«
»Das glaub ich nicht«, warf Anneliese dazwischen. »Bernhard von Absberg ist eher ein trockener, asketischer Typ. Ich habe ihn noch nie lächeln gesehen.«
»Dann führt er vielleicht etwas Böses im Schilde, will die Menschen beunruhigen und in Panik versetzen, während draußen vor der Stadt Tilly aufmarschiert ist«, dachte Rosa laut. »Vielleicht ist er ein Agent der Kaiserlichen, der die Stadtbevölkerung moralisch zermürben soll, damit sie eher bereit ist, zu kapitulieren.«
Benno wies mit dem Zeigefinger auf Rosa und sagte: »Genau das könnte es sein! Das Emmerich-Phantom spielt Tilly und Pappenheim zu. Moralische Kriegführung nennt man das. Ich kann mir gut vorstellen, dass es nicht bei diesen beiden Gruselaktionen bleibt. Dieser Kerl plant sicherlich noch weitere Auftritte.«
»Aber seid ihr sicher, dass es wirklich Bernhard von Absberg ist?«, gab Anneliese zu bedenken.
»Sicher sein? Nein!«, antwortete Rosa. »Aber ich werde es herausfinden. Diesem falschen Emmerich werde ich auflauern. Irgendwann wird er sich verraten. Jeder Strauchdieb und Halsabschneider macht mal einen Fehler, wie klug er auch sein mag.«
Die Kirchturmuhr schlug fünf Uhr.
»Ich muss leider nach Hause«, sagte Anneliese mit ehrlichem Bedauern, denn sie wollte Benno nicht mit Rosa allein lassen. Außerdem war auch sie jetzt vom Jagdfieber erfasst worden.
»Wir können hier sowieso nichts mehr tun«,
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