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FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter

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Titel: FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Wittwer
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Lippen schimmerten verheißungsvoll. Benno konnte seinen Blick nicht von ihr abwenden. Er fasste sie mit beiden Händen an den Schultern und zog sie sanft an sich. Rosa ließ es geschehen, legte ihren Kopf in den Nacken und bot ihm ihre Lippen dar.
    Sie küssten sich lange und innig. Die Welt um sie herum versank. Alles wurde unwirklich und unwichtig: die Standesunterschiede, der Dom und seine Besucher, Klaus Emmerich und sein unruhiger Geist oder was immer auch es war, die kaiserlichen Truppen vor der Stadt, die Angst vor der Eroberung Magdeburgs – alles war vergessen oder hatte keine Bedeutung mehr für sie. Sie hielten sich eng umschlungen und küssten sich wieder und wieder. Die Zeit blieb für sie stehen. Es gab nur noch Rosa und Benno, sonst nichts.

13.
    Der Mai begann mit einem wunderschönen Sonnenaufgang. Rosa stand auf der Stadtmauer von Sudenburg und blickte über das Elbtal, das von der Morgensonne in goldenes Licht getaucht wurde. Vögel hüpften in den Bäumen unten am Flussufer von Ast zu Ast, warben mit ihrem Gesang um ein Weibchen oder bauten schon gemeinsam an ihren Nestern.
    Wie friedlich es war! Könnte das Leben nicht immer so sein? Warum zerstören wir Menschen ständig, wonach wir uns im Tiefsten unseres Herzens sehnen?
    Rosa war glücklich. Benno hatte sie geküsst – endlich. Und wie er sie geküsst hatte! Zärtlich, dann leidenschaftlich, dann wieder warm und innig. Sie wusste nun, woran sie bei ihm war. Er liebte sie, und sie liebte ihn. Sie gehörten zusammen – für immer. Das wusste sie nun. Deshalb hatte der Krieg für sie einen Teil seiner Schrecken verloren. Mit Benno an ihrer Seite fühlte sie sich geborgen und sicher.
    Wonnemonat Mai, der Monat der Liebenden! Dabei hatte der Mai mit »Wonne« eigentlich nichts zu tun. Benno hatte es ihr vor Kurzem erklärt. Kaiser Karl der Große hatte den Mai vor etwa 800 Jahren »wunnimanot« genannt, »Weidemonat«, weil man das Vieh wieder auf die Weide treiben konnte. Außerdem ging der Monatsname auf die römische Göttin Maia Vulcani zurück, der Frau des Flammen- und Feuergottes Vulcanus. So gesehen war der Mai nicht gerade romantisch, aber wer wollte davon schon wissen?
    Es wird heute ein warmer Tag werden, dachte Rosa, obwohl es ja erst in vierzehn Tagen nach den Eisheiligen so richtig schön wird.
    Sie blickte zur Zollschanze hinüber, weil sich dort Lärm erhob. Auf dem anderen Elbufer zogen kaiserliche Truppen auf. Offensichtlich wollten sie heute diese stark befestigte Bastion erneut angreifen.
    Sie werden sich wieder blutige Köpfe holen!, dachte Rosa. Die Zollschanze ist ein harter Brocken.
    Doch dann sah sie, wie Rauch in der Schanze aufstieg. Das Zollhaus brannte! Dabei war es durch die Kaiserlichen noch gar nicht beschossen worden! Hatte es die Besatzung etwa selbst angezündet? Wollten sie die Schanze kampflos aufgeben? Warum nur?
    Tatsächlich, das Tor zur Brücke, die über die Marieninsel nach Magdeburg führte, öffnete sich, und die Besatzung marschierte geschlossen zur Stadt hinüber.
    »Warum machen die das?«, fragte Rosa einen der Wachsoldaten auf der Stadtmauer.
    »Sie haben die Order, alle Schanzen aufzugeben und auch die Brücken niederzubrennen«, antwortete dieser. »Wir haben nicht genug Soldaten, um die Stadt zu verteidigen und müssen deshalb alle Kräfte zusammenziehen.«
    »Aber bisher wurde uns doch immer wieder gesagt, dass die Schweden mit Gustav Adolf hier bald eintreffen werden.«
    »Das glaubt inzwischen keiner mehr. Die Ratsherren haben alle Hoffnung verloren, dass die Schweden noch rechtzeitig kommen werden, auch wenn Oberst von Falkenberg Mutmach-Parolen ausgibt.«
    »Dann werden die wohl auch bald Sudenburg und die Neustadt aufgeben, und wir werden alles verlieren«, dachte Rosa laut.
    Der Soldat blickte sie grimmig an: »Da kannst du Gift drauf nehmen, Mädchen! Hier geht bald alles in Flammen auf – auch mein Haus. Du und dein Vater, ihr könnt schon mal eure Sachen packen.«
    Er wandte sich erregt ab. Der Verlust seines Eigentums schien ihn selbst aufzuwühlen.
    Rosa blickte wieder zur Zollschanze hinüber. Sie konnte ja verstehen, dass alle Soldaten in der Altstadt zusammengezogen werden mussten. Zu viele hatten ja auch in den Schanzen ihr Leben verloren, ohne dass Magdeburg dadurch etwas gewonnen hatte.
    Die Besatzung der Bastion marschierte inzwischen über die Marieninsel, während hinter ihnen die Holzbrücke in Flammen aufging. Auch aus der kleinen Schanze auf der Insel züngelten

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