FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
mit Jesus beim Abendmahl, und der Weihrauchaltar ist ein Bild für die Gemeinschaft mit Gott im Gebet.«
Benno hielt kurz inne und sagte dann unvermittelt: »Ich langweile Sie doch nicht damit, Rosa?«
»Nein, nein, auf keinen Fall!«, wehrte diese ab und streichelte seinen Arm. »Ich höre Ihnen gerne zu. Wer erzählt einer Gerberstochter denn sonst so viel Interessantes?!«
Benno fühlte sich von ihrer Wissbegier ein wenig geschmeichelt und fuhr fort: »Das Allerheiligste dagegen ist ein Symbol für den Himmel, wo Gott herrscht. Die Bundeslade mit den Zehn Geboten, dem Deckel, der ›Gnadenthron‹ genannt wurde, und den anbetenden Cherubim steht für den Thron Gottes. Es bedeutet: Der unsichtbare Gott, der von den höchsten Wesen des Universums verehrt wird, dessen Herrschaft auf Gnade und Gerechtigkeit beruht.«
»Alle Achtung«, stieß Rosa verblüfft aus, »Sie hätten doch Pfarrer werden sollen! Sie verstehen also nur ›ein wenig‹ von all dem Ganzen, nicht wahr?!«
Benno hob nur verlegen die Schultern.
Inzwischen waren sie zu einem weiteren Sarkophag gekommen, der im Chorumgang in einer Fensternische der nordöstlichen Außenmauer stand.
»Hier liegt Editha, die geliebte Frau von Kaiser Otto dem Großen«, sagte Rosa, froh auch etwas zum Gespräch beitragen zu können. »Das hat mir mein Vater mal erklärt. Sie kam aus England und war eine anmutige und herzensgute Frau. Leider starb sie noch sehr jung. Kaiser Otto soll sehr um sie getrauert haben. Schließlich kam ihr Sarg hierher. Aber das muss schon mehr als hundert Jahre her sein. Wahrscheinlich war sie vorher woanders bestattet worden.«
»Warum liegen die beiden so weit voneinander entfernt? Also, ich möchte einmal neben meiner geliebten Frau begraben werden.«
Ein Sonnenstrahl fiel durch das große Domfenster auf die beiden. Benno blickte Rosa im sanften Licht der Glasfenster an.
»Wahrscheinlich, weil im Chor kein Platz mehr war«, erwiderte diese ein wenig unsicher.
Sie gingen weiter und gelangten schließlich zu einer kleinen sechzehneckigen Kapelle, die im Kirchenschiff auf der vorderen linken Seite errichtet worden war.
»Das ist die Heilig-Grab-Kapelle, Benno.«
Sie traten durch die schmale Tür ins Innere.
»Hier können Sie Kaiser Otto und seine Frau Editha sehen«, sagte Rosa und wies auf die beiden Figuren, die in der Kapelle thronten.
»Mmh«, sagte Benno, »die beiden haben verhältnismäßig große Köpfe, aber kleine Körper. Warum das?«
»Das sind sogenannte Sitzfiguren. Ursprünglich sollten sie wahrscheinlich irgendwo oben im Dom aufgestellt werden. Dann würde man sie in der richtigen Perspektive sehen.«
»Und die beiden sollen das erste Kaiserpaar darstellen?«
»So ist es.«
»Könnten sie nicht auch der himmlische Christus und seine Braut, die Gemeinde, sein?«, warf Benno ein. »Schließlich hält der Mann ein Symbol der Himmelsphäre mit den zwölf Sternzeichen und den sieben Planeten in der Hand.«
»Ja, schon«, gab Rosa ein wenig widerwillig zu, »manche sagen, dass es so ist. Aber für die meisten Magdeburger ist es unser Kaiser mit seiner geliebten Editha.«
»Diese Erklärung ist ja auch viel romantischer«, meinte Benno und betrachtete lächelnd die Königin. »Blond, schlank, hübsch – die Ähnlichkeit ist schon bemerkenswert.«
»Ähnlichkeit? Mit wem?«
Eine kleine Ewigkeit schien Benno zu schweigen. »Mit Ihnen, Rosa«, sagte er dann, »nur, dass Sie weitaus hübscher sind. Nein, weitaus schöner!«
Benno wunderte sich selbst, wie leicht ihm das Kompliment über die Lippen gekommen war.
Rosa schaute ihn mit großen Augen an.
»Nun ja, es fällt mir schwer, Komplimente zu machen, bin eben kein Frauenheld. Aber wenn es stimmt, muss man es doch sagen.«
Benno schaute ein wenig verlegen zu den beiden Figuren hinüber, doch Rosa streichelte seinen Oberarm und strahlte ihn an.
»Das haben Sie schön gesagt.« Als Tochter eines einfachen Handwerkers hatte sie solche Worte noch nie gehört. Oft rümpften Leute sogar die Nase, die das Gerberviertel passierten oder tuschelten hinter ihrem Rücken.
Benno lächelte zurück. Rosa war ein Traum! Und er hatte ihr Herz erreicht. Was wollte er mehr? Wie unter einer inneren Eingebung fuhr er fort: »Wäre ich König Otto, ich würde Sie auch aus England nach Magdeburg holen.«
»Und ich würde Ja sagen und kommen«, erwiderte Rosa, ohne zu zögern.
Im gedämpften Licht der Kirchenfenster leuchteten ihre Augen so blau wie der Sommerhimmel. Ihre vollen
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