FreeBook Dr Westerwelle - Die erste offizielle Guidografie
Steuersatz von 7 Prozent. Dass das gut ist, hat ihm sein Parteifreund Ernst Fischer gesagt. Der ist Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes und weiß deshalb: Wenn diese Vergünstigung nicht kommt, sind 10 0 00 0 Arbeitsplätze in Gefahr. Ein verantwortlicher Politiker wie Guido handelt sofort.
Ärgerlich ist für ihn nur, dass übel meinende Medien in diesem Zusammenhang auf einen anderen Umstand hinweisen. Im Jahr der Regierungsübernahme hat die FDP von der Substantia AG eine Spende in Höhe von 1, 1 Millionen Euro bekommen. Die Firma gehört August Baron von Finck, der wiederum Haupteigentümer der Hotelgruppe Mövenpick ist. Und auch der Saarländische Hotelbetreiber Hartmut Ostermann hat im Lauf der Jahre immer mal wieder mit einer kleinen Spende an seine FDP die Nöte der Branche ins Blickfeld gerückt, ganz zu schweigen von Guidos Vortragshonoraren von der Hotelkette Maritim.
In der FDP weist man die öffentliche Empörung weit von sich. »Wir sind nicht käuflich«, echauffiert sich der Liftboy Christian Lindner. Und Westerwelles Zimmermädchen Birgit Homburger beteuert, dass die FDP ihre Politik »nach Überzeugungen« ausrichtet. Vermutlich ist die FDP tatsächlich nicht käuflich, weil sie mit Eintritt in die Regierung praktisch schon ausgebucht war bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag. Für Guido Westerwelle ist die Maßnahme auch keine Klientelpolitik für bestimmte Gruppen, sondern ein Akt der »Tourismusförderung«. Auf unangenehme Art und Weise muss Guido zudem erleben, wie seine eigenen Methoden mittlerweile gegen ihn verwendet werden. Der Generalsekretär der CSU kritisiert die FDP mit den Worten, sie dürfe »nicht nur Lobbypolitik für ihre Kernkundschaft machen«. Lustigerweise war die CSU selbst auch für diese Maßnahme der »Tourismusförderung«. Und auch von anderer Seite hagelt es Kritik. Die FDP-Freunde im Industrieverband sind aufgewacht und merken, was ihre Statthalter in der Regierung sich zusammengebacken haben. Die Ermäßigung gilt nämlich nur für die Übernachtung, nicht aber für das Frühstück. Das bringt die komplette Abrechnung der Reisekosten in den Firmen durcheinander. In der folgenden Zeit unterhalten sich zahlreiche Staatsdiener beim Spiel »7 oder 19«. Heerscharen von Finanzbeamten dürfen sich nämlich Gedanken machen über die Abrechnung weiterer Leistungen, die in den Hotels erbracht werden, wie zum Beispiel das Putzen von Schuhen.
Viel Schlechtes wird in dieser frühen Phase seines Regierungshandelns über Guido geschrieben, und so wird es Zeit, dass er ein paar Dinge geraderückt. Als das Bundesverfassungsgericht die Berechnung der Hartz-IV-Sätze als verfassungswidrig einstuft, ist Guidos Stunde gekommen. In einer blau angemalten Zeitung aus dem Springer-Verlag veröffentlicht er einen Kommentar mit der Überschrift »Vergesst die Mitte nicht«. Wie das bei Guido üblich ist, meint er mit der Mitte immer erst einmal sich selbst. Und damit er selbst nicht in Vergessenheit gerät, führt er von der Mitte aus einen echten Rundumschlag. Seiner Meinung nach scheine es in Deutschland nur noch Bezieher von Steuergeld zu geben, aber niemanden, der es erarbeite. Im gleichen Atemzug beschwert er sich, dass sich ganz Deutschland über CDs mit Daten von Steuerhinterziehern erregt. Als Beleg für seine Wut gegen staatliche Leistungen muss eine Kellnerin herhalten. In seinem Beispiel ist sie verheiratet, hat zwei Kinder und verdient nach seiner Rechnung 10 9 Euro weniger im Monat, als wenn sie nicht arbeiten und stattdessen Hartz IV beziehen würde. »Was sagt eigentlich die Kellnerin mit zwei Kindern zu Forderungen, jetzt rasch mehr für Hartz IV auszugeben?«, fragt sich Guido und attestiert der Diskussion »sozialistische Züge«. Debattiert wird aus seiner Sicht die Frage: »Wer bekommt mehr?« Damit hat er ausnahmsweise recht. Der Hotelbesitzer und die Kellnerin machen diese Frage vorerst weiter unter sich aus.
Die Linke-Abgeordnete Jutta Krellmann stellt eine offizielle Anfrage an das Bundesarbeitsministerium und will die Zahlen amtlich bestätigt wissen. Das Arbeitsministerium versucht zunächst, Westerwelles Aussage mit Hinweis auf eine Studie der Arbeitnehmerkammer Bremen zu bestätigen. Dort sei die Differenz von 10 9 Euro festgestellt worden. In Bremen weiß man allerdings gar nichts von einer solchen Studie und stellt umgekehrt fest: Guido hat unrecht. Wer arbeitet, hat immer mehr als ein Hartz-IV-Bezieher. Die Focus -Journalistin Christine Otten
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