freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
sie, wenn sie hinter seine Magerkeit, seinen üblen Charakter und
seinen Job blickte, daß sie dann vielleicht sogar hinter die triste Wohnung und das ärmliche Mobiliar zu blicken verstand.
»Da wären wir. Mach dich aufs schlimmste gefaßt.«
»Sei nicht blöd. Ich weiß jetzt schon, daß es mir gefallen wird.«
Er schüttelte den Kopf. Er hatte in den letzten Tagen hart gearbeitet, um die Wohnung in einen präsentablen Zustand zu versetzen,
hatte Fußböden und Fenster geputzt, Staub gewischt und aufgeräumt, stundenlang hatte er im Bad die Fliesenfugen und die Rostspuren
unter den Wasserhähnen der vergilbten alten Wanne gescheuert. Er hatte die Bücher eingeräumt, Papiere, Post und alte Zeitungen
ausgemistet, einige Dutzend Müllsäcke gefüllt. Er hatte die alten Schuhe weggeworfen und die wenigen annehmbaren Paare geputzt
und poliert und dann sogar aus der Diele geräumt. Er hatte endlich die Sommerkleider aus den Kisten über der Zwischendecke
geholt und die Winterklamotten weggeräumt. Die Fenster hatten stundenlang offengestanden, damit die frische Nachtluft hereinströmen
konnte, doch der Geruch von Einsamkeit und Enttäuschung hatte sich nicht ganz verflüchtigt. Nichts war bedrückender in der
Wohnung als dieser Geruch und der ewige Halbschatten, der selbst strahlendem Sonnenschein trotzte und der sich abends in eine
tiefschwarze, zähe Finsternis verwandelte.
Er ging voraus und führte sie hastig durch alle Räume, wobei er strikt ihre Reaktionen ignorierte. Sofia ließ ihren |319| Blick durch das Wohnzimmer wandern, ging vorsichtig bis zur Küche, schaute verstohlen ins Bad.
»Nicht schlecht, was?« sagte er. »Wirkt so, als ob da drinnen gerade einer gestorben wäre.«
Sie sagte nichts, denn wenn sie es mit euphorischen Ausrufen wie »reizend« oder »faszinierend« probiert hätte, hätte er gewußt,
daß sie log. Aber als der Kommissar ihr zum Abschluß das Schlafzimmer mit dem schmiedeeisernen Bett und der schönen weißen
Stickdecke zeigte, nutzte Sofia Lanni die Gelegenheit, um sich an sein Ohr heranzumachen:
»Hmm … dieses Zimmer … erregt mich«, sagte sie, während sie ihn zärtlich ableckte.
»Wirklich?«
»Und wie. Ist das Bett stabil?«
»Nun, ich glaube schon.«
»Wäre gut, wenn dem so wäre, denn es hat mich auf ein paar Ideen gebracht …«
Sie zogen sich hastig aus, warfen die Kleider von sich, er nahm sie mit Wut und Leidenschaft, und als sie gemeinsam kamen,
schien ihr langer Schrei einen Fluch zu verscheuchen, der über diesem Ort lag. Marco Luciani preßte seine Geliebte an sich,
er schaute sich um und spürte zum ersten Mal in dieser Wohnung so etwas wie Zufriedenheit.
Sofia Lanni kam zu ihm in die Küche. Die Dunkelheit hatte ihn nach und nach eingesponnen, er saß rittlings auf einem Stuhl
und schaute aus dem Fenster, obwohl es draußen nichts mehr zu sehen gab.
»Hmm, wie spät ist es denn?«
»Fast neun. Hast du ein wenig geschlafen?«
»Ja, aber jetzt habe ich einen Hunger … und du, hast du geschlafen?« fragte sie, wobei sie ihre Arme von hinten um ihn schlang
und ihr Gesicht an seinen Rücken schmiegte.
|320| Er gab ein Winseln von sich, das »nein« bedeuten mochte.
»Meine Herren, Marco, bist du dürr. Ich kann jede deiner Rippen zählen. Warst du schon immer so?«
»Nein, mit zwanzig, als ich Fußball spielte, wog ich neunzig Kilo.«
»Komm, ich meine es ernst.«
»Ich auch.«
»Hör auf, neunzig Kilo, das kann ich mir wirklich nicht vorstellen. Und schon gar nicht auf dem Fußballplatz. Du bist viel
zu groß.«
»Nun, ein niedriger Körperschwerpunkt ist tatsächlich praktischer. Aber ich war stark mit dem Kopf. Die typische Brechstange
im Sturmzentrum.«
»Hmm … das kann ich mir schon eher vorstellen«, sagte sie, während ihre Hände hinunter auf seine Schenkel glitten. »Und wo
hast du gespielt?«
»Hier und da. In meinen besten Zeiten spielte ich dritte Liga.«
»Oha. Nicht schlecht. Und dann?«
»Dann nicht mehr. Ich habe aufgehört.«
»Und wieso?«
Marco Luciani schwieg einen Moment. Er hatte ihr sowieso schon zuviel gesagt. Jetzt mußte sie ihre Qualitäten als Detektivin
unter Beweis stellen. »Ach, ich hatte keine Lust mehr«, sagte er schlicht, »das ganze Milieu gefiel mir nicht.«
»Schade. Du wärst jetzt vielleicht Millionär.«
»Sicher. Aber dann wäre jetzt irgendein Model oder ein Showgirl aus dem Fernsehen an deiner Stelle.
Sie gab ihm eine leichte Ohrfeige. »Ach …
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