freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
dir gefallen diese magersüchtigen Flittchen?«
»Und dir gefallen die Fußballer?«
»Warum nicht? Ein bißchen ungeschlacht, aber ein paar |321| sehen auch ganz gut aus. Und außerdem haben die einen Körper …«
»Nun, was das betrifft …«
Er öffnete seinen Bademantel und zeigte, wie erregt er war. Sie machte eine theatralische Geste, die besagte: Mein Gott! »Schon
wieder?«
»Schon wieder.«
Später, während sie schlief, legte er sich aufs Sofa und stellte wieder die Kassette von Lucio Quarantotto an, dem verrückten
Liedermacher, dessen Musik ihm immer in den Bauch fuhr. Er flüsterte den Text mit, den er inzwischen auswendig kannte:
Und wäre dies die letzte
Wolke an Italiens Himmeln
Und wärest du das letzte
Mädchen meines Lebens
Und wäre dies die letzte
Nacht, Nacht in Italien
Eine Nacht mit dir
Um den Preis meines Lebens
Man sagt oft, sich lieben, als wäre es das letzte Mal, dachte er. Und tatsächlich gibt es für jeden ein letztes Mal. Aber
die allerwenigsten erkennen es, wenn es soweit ist. Für manche mag es mit Siebzig oder Achtzig kommen, für andere vielleicht
schon mit Vierzig. Und wer weiß, wie viele es durch einen plötzlichen Schicksalsschlag trifft, einen Partner, der stirbt und
niemals ersetzt wird, und wie viele mögen erleben, wie der Trieb langsam abstirbt, immer schwächer wird, immer weniger Lust
freisetzt, bis man sich fragt, ob man es beim nächsten Mal überhaupt noch schafft. Und wer weiß, welche Variante man für sich
selbst wünschen sollte?
|322| Aber wäre dies die letzte
Sonne, Sonne, die uns streift
Der letzte Zug, der
Uns wirklich noch mitnimmt …
Das war das letzte Mal, dachte er. Auch wenn ich es noch zehn-, hundert- oder tausendmal machen sollte. Das war das letzte
Mal.
|323| Montag
»Hallo?«
»Hallo. Spreche ich mit Kommissar Luciani?«
Die Stimme war unverwechselbar. Er hatte nicht mehr gehofft, sie noch einmal zu hören, und als er antwortete: »Das bin ich«,
merkte er, daß seine eigene ein wenig bebte.
»Ich habe Ihre Nachricht gelesen. Wollen Sie mich sehen?«
»Wissen Sie, daß halb Italien Sie sucht?«
Vom anderen Ende der Leitung kam ein tiefer Atemzug.
»Ich weiß.«
Marco Luciani spürte, daß sie Angst hatte und seine Hilfe brauchte.
»Sagen Sie mir, wo Sie sind. Ich werde Sie abholen.«
Er ließ Giampieri ausrichten, daß er unterwegs sei, ohne den Grund zu erklären. Er wollte hinunter in die Tiefgarage, doch
dann beschloß er, daß er auf das Auto verzichten und einen Spaziergang durch den Corso Italia machen würde. Es war ein wunderschöner
Vormittag, einige Strandbäder waren bereits geöffnet, man hatte Liegestühle und Tischchen rausgestellt. Die Rentner lagen
mit entblößtem Oberkörper in der warmen Sonne oder saßen, in Unterhemd und Sandalen, beim Kartenspiel.
Das konnte die Wende sein, sagte sich der Kommissar und beschleunigte unwillkürlich seinen Schritt. Dies konnte ein Stoß zuviel
sein für das Kartenhaus, das Angelini, Rebuffo und Konsorten mit soviel Mühe aufgebaut hatten, indem sie die ganze Schuld
auf Saggese abwälzten.
An der Bar bei der Tennisanlage kündigte sich der Moment des Aperitifs an, einige ältere Damen der besseren |324| Genueser Gesellschaft saßen, tiefbraun und faltig, mit Hündchen zu Tisch. Die Brasilianerin hatte sich in den Schatten unter
der Pergola zurückgezogen. Sie war es, die Blondine mit dem perfekten Körper und dem engelhaften Antlitz; auch wenn sie wie
eine brave Bürgerstochter gekleidet war, erkannte man auf zehn Kilometer Entfernung die Edelprostituierte in ihr. Eine Frage
des Blickes vielleicht, oder des Auftretens.
Marco Luciani setzte sich neben sie. »Guten Tag, Maria. Ich freue mich, Sie zu sehen.«
»Ich sehe, Sie haben mich sofort erkannt.«
»Ich trage ein Foto von Ihnen in der Brieftasche herum.«
»Tatsächlich? Und von wem haben Sie es?«
»Ganz ruhig, das war ein Witz. Davon abgesehen gab es nicht viele Möglichkeiten. Ich denke, daß keine dieser feinen Damen
um die Siebzig hier Ihrer Profession nachgehen könnte.«
»Wahrscheinlich haben sie das schon früher erledigt«, meinte die Brasilianerin.
»Wahrscheinlich.«
»Ich habe Sie angerufen, nachdem ich Ihre Nachricht gelesen hatte. Was wollen Sie von mir?«
»Bleiben Sie entspannt. Ich bin Ihnen nicht feindlich gesonnen, und ich bin nicht hier, um Sie festzunageln. Ich hätte Sie
auch auf andere Weise aufspüren können, aber wie Sie sehen, habe
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