freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
vernichtet
hatte, die sie entlasten konnten.
Die Brasilianerin drückte auf ein paar Tasten und zeigte die SMS. Sie war während der Halbzeitpause eingegangen, um 15.52
Uhr. Der Kommissar überprüfte die Nummer, von der aus sie geschickt worden war. Er kannte sie nicht |330| und geriet ziemlich aus dem Häuschen: Das mußte die Nummer des zweiten Handys sein. Wenn die Brasilianerin ehrlich war, wenn
alles, was sie ihm bisher erzählt hatte, stimmte, dann hatte er den eindeutigen Beweis dafür gefunden, daß Ferretti das Handy
in der Umkleide dabei hatte, wenige Minuten vor seinem Tod.
»Sind Sie sicher, daß dies das Handy des Schiedsrichters war?«
»Klar bin ich sicher. Er rief mich oft von dieser Nummer aus an.«
»Löschen Sie diese SMS nicht, ich beschwöre Sie. Sie kann sehr wichtig sein«, sagte Marco Luciani.
»Was meinen Sie, warum ich sie aufbewahrt habe?« sagte die Brasilianerin mit einem Lächeln. Dann gab sie sich wieder bescheiden,
schlug die Augen nieder, und während sie durch ihre langen Wimpern zu ihm aufsah, flüsterte sie:
»Darf ich Ihnen jetzt auch eine Frage stellen, Herr Kommissar?«
»Bitte.«
»Wenn ich Ihnen diese SMS überlasse, helfen Sie mir dann zu verschwinden? Ich würde gerne für eine Weile nach Brasilien zurückkehren
und abwarten, daß sich die Lage ein wenig beruhigt.«
Marco Luciani schüttelte den Kopf. »Ich werde sehen, was ich machen kann. Aber nicht sofort. Zuerst brauche ich die Beweise
für die Geldzahlung, Sie müssen mir die Kontonummern geben. Und dann möchte ich, daß Sie eine Aussage machen über die Beziehungen,
die Sie sowie der Schiedsrichter zu Saggese und Rebuffo unterhielten.«
Die Brasilianerin fixierte ihn entschlossen: »Begnügen Sie sich mit der SMS. Das ist die Bestätigung, daß Tullio sich umgebracht
hat. Sie zeigt, daß Saggese unschuldig ist, und erlaubt Ihnen, den Fall abzuschließen und sich gut in Szene zu setzen. Was
deren Beziehungen angeht, da ahne |331| ich einiges, aber ich habe nichts Konkretes, für nichts einen Beweis. Tullio wurde mir durch Saggese vorgestellt, und Rebuffo
kenne ich dem Namen nach, aber ich habe ihn mein Lebtag nicht gesehen.«
Marco Lucianis Hirn fing wie wild an zu arbeiten. Konnte er der Brasilianerin vertrauen? War sie von sich aus gekommen, weil
sie durch Saggeses Verhaftung eingeschüchtert war, oder hatte jemand sie geschickt? Saggese selbst zum Beispiel, oder sogar
Rebuffo? Sie hatte eine Version aufgetischt, die verschiedenen Leuten nützen konnte, je nachdem, aus welchem Blickwinkel man
sie betrachtete.
»Ich weiß nicht, ob es jetzt schon an der Zeit ist, von der SMS zu sprechen«, sagte er. »Im Grunde haben wir keinen Beweis,
daß sie wirklich vom Handy des Schiedsrichters kam, und im Zweifelsfall könnte Ihnen auch der Mörder die SMS geschickt haben,
als eine Art Warnung: Sei bloß vorsichtig, denn nach ihm könntest du an der Reihe sein.«
»Das überzeugt mich nicht.«
»Aber es würde die Carabinieri überzeugen. Früher oder später werden sie Sie finden, oder Rebuffo wird Sie finden und Rechenschaft
über die zweihundertfünfzigtausend Euro verlangen. Er wird nicht glauben, daß Ferretti sie Ihnen gezahlt hat …«
Das Mädchen schnaubte verächtlich durch die Nase: »Das dachte ich mir schon. Ich sagte Ihnen bereits, daß auch Tullio eine
Nutte war.«
Marco Luciani trank sein Lemonsoda aus und dachte über die nächsten Schritte nach. Er beschloß, daß er einstweilen nur Saggese
entlasten und die Carabinieri in die Pfanne hauen würde.
»Ich habe kein Interesse daran, Sie anzuzeigen oder zu verfolgen. Ich wüßte gar nicht, wofür«, sagte er, »aber Sie müssen
mit mir ins Polizeipräsidium kommen und ein Protokoll unterschreiben. Reden Sie nicht von Rebuffo, |332| sagen Sie nur, daß Ferretti Ihnen das Geld freiwillig gab, in bar, um in Brasilien ein Unternehmen zu gründen, mit dem ihr
ein neues Leben beginnen wolltet. Sagen Sie, daß Sie nie Zuhälter hatten, und weisen Sie nach, daß Sie das Geld Ihrer Schwester
geschickt haben. Niemand wird Ihnen etwas vorwerfen können. Und vor allem: sprechen Sie zu niemandem von der SMS, bis ich
es Ihnen sage. Wenn Sie mir vertrauen, verspreche ich, daß Sie in ein paar Tagen einen schönen Urlaub antreten können.«
Diesmal wirkten die beiden Tränen, die auf Marias Wangen erschienen, aufrichtig. Sie schaute Luciani eine Weile schweigend
an, als wollte sie abschätzen, welchen Typ Mann sie
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