freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
würde wichtiger sein denn je.
|338| Dienstag
Baffigos Sensationsmeldung über die Brasilianerin war eine, die den Nerv trifft. Sie zielte auf den Kern der Carabinieri-Theorie
ab, zerpflückte Punkt für Punkt alle Vorwürfe gegen Saggese und rekonstruierte die ganze Geschichte auf eine viel plausiblere
Art, wobei der Autor ohne allzu viele Umschweife die Hypothese aufstellte, daß das Ganze von den Geheimdiensten künstlich
inszeniert worden sei (was in derlei Fällen immer gelegen kam), um die Spuren zu verwischen, auf die die Polizei setzte. Nach
der Zeugenaussage der Brasilianerin, schloß Baffigo, werde der Untersuchungsrichter wohl kaum die Haftanordnung für Saggese
bestätigen, dessen Freilassung eine Frage von Tagen, wenn nicht Stunden sei. Die Ermittlung werde von vorne beginnen, und
die Hauptspur deute erneut auf einen Racheakt innerhalb des Fußballgeschäfts hin.
Staatsanwalt Angelini meldete sich um 7.10 Uhr bei Marco Luciani und kündigte eine Untersuchung über die Weitergabe interner
Informationen an. Er hatte bereits Hausdurchsuchungen in Baffigos Wohnung und in der Zeitungsredaktion angeordnet, und er
schwor Luciani, daß er den Journalisten so lange in der Zelle schmoren lassen würde, bis dieser die Quelle für das Aussageprotokoll
preisgeben werde. »Ich habe die Nase voll. Seit Beginn der Ermittlungen muß ich mich über die Zeitungen informieren. Es gibt
einen Schlaumeier, der die ganze Zeit versucht durch Medienmanipulation an seine persönlichen Ziele zu gelangen, aber das
wird ihm nicht gelingen.«
Das sagt der Richtige, dachte der Kommissar, dann erwiderte |339| er in neutralem Ton: »Ich bin absolut Ihrer Meinung, Herr Staatsanwalt. Es gibt jemanden, der uns seit Beginn der Ermittlungen
ausspioniert und den Zeitungen Informationen zuspielt. Und wissen Sie was? Auch ich bin entschlossen, diesen Hurensohn zu
finden.«
Er klopfte an Giampieris Büro und trat ein. Sein Vize saß am Schreibtisch, vor ihm Linienrichter Adelchi, der etwas sagte,
aber sofort innehielt. Beide schienen verlegen, als sie den Kommissar sahen; Giampieri stand auf und sagte: »Ciao, ich hab
dich heute morgen gesucht, konnte dich aber nicht finden. Ich habe Herrn Adelchi ein paar Fragen gestellt, nichts Wichtiges,
ich wollte nach den jüngsten Entwicklungen nur ein paar Details klären.«
Marco Luciani hielt sich gar nicht erst mit der Frage auf, was sie denn zu besprechen hätten. Das war die ideale Gelegenheit,
um etwas zu klären, was ihn schon lange beschäftigte.
»Laß dir ruhig Zeit«, sagte er, »wenn du fertig bist, dann komm mal zu mir rüber, ich muß dir etwas sagen.«
Er kehrte schnell in sein Büro zurück, nahm das Telefonverzeichnis zum Fall Ferretti und suchte Adelchi heraus. Er ging hinaus
auf den Flur, schnappte sich im Vorbeigehen Ianneces Handy und wählte die Nummer. Hinter Giampieris Tür hörte er den Jingle
von »Lupin III«, Adelchi ging beim dritten Läuten ran. Der Kommissar sagte schnell: »Komm sofort«, wobei er seine Stimme verstellte,
dann legte er auf.
Anschließend holte er sich einen Kaffee, setzte sich an ein Fenster, von dem aus der Haupteingang zu überblicken war, und
nach zehn Minuten sah er Adelchi herauskommen. Er hielt das Handy in der Hand und wählte eine Nummer. In der Tasche des Kommissars
fing Ianneces Handy zu läuten an. Luciani antwortete nicht. Adelchi fingerte |340| wieder auf den Tasten herum, redete kurz, wobei er den Kopf schüttelte, klappte das Handy zusammen, schaute sich um, als wollte
er kontrollieren, ob man ihn beobachtet hatte, und verschwand schleunigst. Die Sache war klar: Der Linienrichter war durch
den Anruf aufgeschreckt worden und hatte die im Handy gespeicherte Nummer zurückgerufen. Da ihm niemand geantwortet hatte,
hatte er es vermutlich unter einer anderen Nummer versucht, wo ihm jemand sagte, daß er Adelchi nicht angeläutet habe, und
vermutlich hatte dieser Jemand Adelchi zusammengestaucht, weil sein Anruf eine Spur hinterließ. Marco Luciani schrieb sich
Tag und Uhrzeit in sein Notizbuch.
Ein dreimaliges energisches Klopfen, dann trat, noch vor Lucianis »Herein!«, Inspektor Calabrò ins Zimmer. Einen großen gelben
Umschlag in der Hand.
»Ich habe getan, was Sie mir aufgetragen hatten, Herr Kommissar. Die betreffende Person verfolgt. Tagsüber unternahm sie nichts
Besonderes: Am Vormittag war sie zu Hause, nachmittags im Büro, aber gestern abend …«
Der
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