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freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani

Titel: freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Paglieri
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Kommissar wartete darauf, daß er weitersprach. Aber Calabrò schwieg.
    »… gestern abend?«
    Der Beamte reichte ihm den Umschlag über den Tisch:
    »Sehen Sie selbst.«
    Er wollte schon gehen, doch Luciani hielt ihn zurück:
    »Wart mal einen Moment. Wo willst du denn hin? Laß sie mich erst einmal anschauen.«
    Er schüttete den Inhalt vor sich aus: etwa ein Dutzend Farbfotografien, einige waren vergrößert und ziemlich grobkörnig, mit
     einem Teleobjektiv aufgenommen und mit einer großen Büroklammer zusammengeheftet. Auf dem ersten Foto sah man Antonio Dall’Olios
     grünen Jaguar, der auf dem Vorplatz eines Landgasthofs parkte.
    |341| »Wo ist das?«
    »Außerhalb Turins, Herr Kommissar. In der Gegend von Moncalieri.«
    Dann wieder Dall’Olio, der aus dem Wagen stieg, zwei Männer, die ihm entgegengingen. Sie trugen Sonnenbrillen, obwohl es fast
     schon Abend war. Der weiße Regenmantel und das graumelierte Haar ließen keinen Zweifel zu: der eine war Alfredo Rebuffo. Der
     andere war Mario Colnago, der Koordinator der Schiedsrichter. Dann weitere Aufnahmen von den dreien im Restaurant, ein Tisch
     mit vier Gedecken. Marco Luciani wußte nicht warum, aber er spürte, wie seine Hände feucht wurden.
    Noch ein Foto vom Parkplatz: Ein Audi mit Metallic-Lackierung, eine offene Tür, ein Paar perfekte Beine, die mit der Klasse
     einer Königin aus dem Wagen stiegen. Er erkannte sie sofort. Auf dem nächsten Foto sah Sofia Lanni, mit Sonnenbrille und Kopftuch,
     wie eine Schauspielerin aus den fünfziger Jahren aus, die den Paparazzi entkommen will. Es war ihr nicht gelungen. Marco Luciani
     versuchte, sich nichts anmerken zu lassen, aber es ging nicht: Er mußte mehrfach schlucken.
    Dann wieder im Restaurant, Colnago, der Sofia Lanni die Hand gab, dann gab auch Rebuffo ihr die Hand, allerdings küßte er
     sie auch auf die Wange und faßte sie um die Taille. Dem Kommissar stieß ein Schub Magensäure auf, den er mit Mühe wieder hinunterwürgte.
     Die Stille im Raum wurde eisig, bis der Kommissar sich entschloß, Calabrò aus der peinlichen Situation zu befreien.
    »Konnten Sie etwas verstehen?«
    »Leider nicht, Herr Kommissar. Als wir den Jaguar verfolgten, kannten wir das Ziel nicht, daher konnten wir vorher keine Mikrophone
     plazieren. Mit dem Richtmikrophon kamen wir nicht nahe genug heran. Zu viele Störgeräusche, tut mir leid.«
    |342| »Das braucht dir nicht leid zu tun, Calabrò. Hervorragende Arbeit, wirklich«, sagte der Kommissar, aber er schaffte es nicht,
     einen zufriedenen Ton anzuschlagen. Er schob die Fotos in den Umschlag, verschloß sie in der Schublade und entließ seinen
     Mitarbeiter.
    »Soll ich weiterhin den Jaguar verfolgen? Oder einen aus der Gruppe?«
    »Ich denke nicht, im Moment. Im Bedarfsfall sage ich dir Bescheid.«
     
    Er stieg in den Wagen, folgte der kurvenreichen Via Aurelia, kam an das Denkmal von Quarto, parkte, zog sich T-Shirt, Shorts
     und Jogging-Schuhe an, die er immer im Kofferraum bereithielt, und lief los. Er schwor sich, daß er nicht eher umkehren würde,
     als bis er nach Sori gelangt wäre. Die erste halbe Stunde hielt er ein strammes Tempo, doch dann bereitete das Auf und Ab
     ihm langsam Schwierigkeiten. Er war an die Flachstrecken des Porto Antico und die leichten Steigungen des Corso Italia gewöhnt,
     während hier beachtliche Anstiege zu bewältigen waren und ein gleichmäßiger Rhythmus unmöglich wurde. Jedesmal, wenn er umkehren
     wollte, dachte er an die Brasilianerin und die Mädchen, die auf Schlauchboote verfrachtet wurden, oder an Baffo, der morgens
     um acht, halb besinnungslos, nach Hause kam, an seine Mutter, die in einem in Bettlaken eingesponnenen Haus herumirrte. Er
     dachte an das Dasein der Menschen, die er kannte, ein Dasein, das von einem Auf und Ab gekennzeichnet war, das weitaus härter
     war als diese Laufstrecke. Nach der Affäre mit seinem Vater hatte Marco Luciani sich ein flaches Terrain gesucht, ohne Steigungen,
     ohne Freud oder Leid, ohne Übertreibungen. Ein flaches, einsames Dasein, eine Art Marathonlauf in der Wüste, erschien ihm
     damals als Ideallösung, doch dann war Sofia Lanni wie eine Oase aufgetaucht. Er hatte sich in das kühle Naß gestürzt, |343| obwohl er wußte, daß es eine Fata Morgana war. Sobald sie verschwunden war, würde er wieder vor der grenzenlosen Sandwüste
     stehen.
    Er kam nach Sori, kehrte an der ersten Ampel um und kämpfte sich wieder durch das Auf und Ab, bis die Knie schmerzten und
     die

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