freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
Waden hart wurden. Als er an seinen Clio kam, waren seine Knie hinüber und die Waden fast steif. Er schaute auf die Uhr,
die er im Auto gelassen hatte – er war fast zwei Stunden gerannt.
Er fuhr nach Hause. Auf dem Anrufbeantworter war eine Nachricht von Giampieri, der ihm mitteilte, daß Baffigo erneut in der
Klinik sei. Als die Carabinieri seine Wohnung durchsuchen wollten, hatten sie ihn auf dem Boden gefunden, neben sich eine
leere Whiskeyflasche. Marco Luciani fühlte sich schuldig, weil er ihm zur Flucht aus dem Krankenhaus verholfen und ihn anschließend
nicht im Auge behalten hatte. Er nahm sich vor, zu duschen und dann sofort wieder ins San-Marino-Krankenhaus zu fahren, doch
dann wurde ihm klar, daß man ihn um diese Uhrzeit nicht in Baffigos Nähe lassen würde. Es war sinnvoller, sich aufs Sofa zu
legen und ein paar Stunden Schlaf nachzuholen.
Gegen zehn riß ihn das Läuten des Telefons aus dem Halbschlaf. Er drosselte die Stereoanlage und wartete, bis der Anrufbeantworter
ansprang. Wie vermutet, hörte er die – leicht verzerrte – Stimme Sofia Lannis: »Hallo Marco, ich bin’s. Bist du zu Hause?
Kannst du mal rangehen?«
Er rührte sich nicht vom Sofa.
»Erst einmal: Kompliment für den Coup mit der Brasilianerin. Du hast die anderen plattgemacht. Aber wehe dir, wenn du keine
zehn Meter Sicherheitsabstand zu dem Mädchen hältst! Hör mal, apropos: Du mußt dich in acht nehmen, die werden versuchen,
sich zu rächen … Ich |344| wollte mit dir über eine wichtige Angelegenheit reden. Gestern beim Abendessen habe ich mit Leuten gesprochen …«
Marco Luciani stellte die Lauscher auf.
»Aber es ist besser, wenn ich darüber nicht am Telefon rede, morgen erzähle ich dir alles.«
Der Kommissar sprang auf und rannte zum Telefon, aber als er den Hörer abnahm, hatte Sofia Lanni schon aufgelegt. Er wollte
sie zurückrufen, doch dann ließ er es bleiben. Lieber diesen unerwarteten Hoffnungsschimmer bewahren, als die Sache gleich
zu überprüfen und sich jeglicher Illusion zu berauben, dachte er. Er streckte sich wieder auf der Couch aus, klappte die Verbindungsübersichten
zu und verschob die Lektüre auf den nächsten Morgen. Dann drehte er die Musik lauter. Lucio Quarantotto sang:
Und die Mörder sind auch nicht anders
Die haben keine sechs Zehen und drei Füße
Das sind Topfpflanzen wie wir
Straßenpilger wie wir
Und dann sagen sie
Was haben wir Unrechtes getan
Nur jemanden früher erlöst
Einer Oma früher das Herz gebrochen
Die jetzt beerdigt wird
Statt in vierzig Jahren
Und dann und dann haben wir Mörder dafür gesorgt
Daß ihr schneller durchkommt
Zwischen den Tischen
Haben alle Tassen
Alle Tassen in die Luft geschleudert.
|345| Mittwoch
Die Türklingel weckte ihn im Morgengrauen. Er stand auf, wie er war, in Boxer-Shorts und T-Shirt, und ging barfuß zur Tür.
»Wer ist da?« fragte er; er fürchtete, die Stimme von Greta oder dem Neapolitaner aus dem ersten Stock zu hören.
»Carabinieri. Öffnen Sie die Tür.«
Na bitte, dachte er, der Neapolitaner hat die Alte schließlich doch kaltgemacht, und ich habe es nicht einmal mitbekommen.
Er öffnete und stand einem Offizier und drei Carabinieri in Kampfausrüstung gegenüber. Sie trugen Schutzhelme und Maschinenpistolen.
»Marco Luciani?« fragte der Offizier.
»Der bin ich.«
»Würden Sie uns bitte folgen?«
»Das muß ein Irrtum sein. Ich bin Kriminalkommissar.«
»Kein Irrtum, Herr Kommissar. Ich bitte Sie, uns zu folgen und kein Aufsehen zu erregen. Das ist für alle Beteiligten das
beste.«
Marco Luciani dachte, er sei noch nicht wach. Doch der kalte Fußboden, die Lichtreflexe auf den Maschinenpistolen und der
Mundgeruch des Offiziers waren zu realistisch, als daß sie nur geträumt sein konnten.
»Wollen Sie mich festnehmen? Haben Sie einen Haftbefehl?«
Der Offizier lächelte: »Wir nehmen Sie nicht fest. Wir bitten Sie lediglich, uns zu folgen, Sie werden in der Staatsanwaltschaft
erwartet, und zwar von Doktor Angelini.«
»Wenn das so ist, hätte es auch ein Anruf getan.«
|346| Er wusch sich schnell, zog die erstbesten Klamotten an und folgte ihnen. Der Neapolitaner war in Unterhemd und Schlappen im
Treppenhaus erschienen und fragte: »Was ist denn los, Herr Kommissar?«
Marco Luciani antwortete: »Ich weiß es nicht. Behalt meine Wohnung im Auge, daß mir da niemand einbricht.«
Als er hinunter auf die Straße kam, sah er einen vollbesetzten
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