freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
Greta für Sie auf Apparat zwei.«
Marco Luciani schaute auf die Uhr, dann fiel ihm ein, daß Montag war, der Tag, der keine Gnade kannte, der Tag des Autorenfilms
in Originalsprache. O Scheiße, dachte er.
»Hallo.«
»Ich bin’s. Bist du immer noch im Büro?«
»Ja.«
»Der Film fängt in zehn Minuten an.«
»Das schaffe ich nicht, ich stecke hier mitten im Schlamassel. Geh schon mal rein, wenn ich irgend kann, komme ich nach.«
»Die Geschichte mit dem Schiedsrichter?«
»Ja, ich fürchte, die nächsten Tage werden nicht einfach werden.«
»Habe ich mir schon gedacht, aber da du nicht abgesagt hast, dachte ich …«
»Nein, tut mir leid. Hör mal, ich muß jetzt los, ich ruf dich an.«
»Wann?«
»Weiß nicht, das hängt von den Ermittlungen ab.«
»Okay, aber du solltest dich nicht übernehmen. Hast du etwas gegessen?«
|40| Marco Luciani hatte bereits aufgelegt. Er nahm seine Nasenwurzel zwischen Zeigefinger und Daumen und verharrte einen Augenblick
so. Er fragte sich, wann er endlich den Mut aufbringen würde, mit Greta Schluß zu machen.
Er holte die Kinokarte aus der Tasche, die er in der Brieftasche des Opfers gefunden hatte. Es war ein Kunstfilm, wahrscheinlich
einer dieser iranischen Schinken, die seiner Freundin so gut gefielen. Wenn auch Herr Ferretti diese Filme liebte, dann war
vielleicht das Suizidmotiv schon gefunden.
|41| Dienstag
Am nächsten Morgen wachte der Kommissar gegen sechs Uhr auf, hellwach und voller Tatendrang. Er trank zwei Glas Wasser, zog
T-Shirt, Shorts und Joggingschuhe an und verließ die Wohnung. Die Gassen waren noch leer, bis auf die kleinen schemenhaften
Wesen hinter den Müllcontainern, die er gerne übersehen hätte, die aber von seinen Schritten aufgeschreckt davonstoben. Er
wich mindestens zehn Hundehaufen aus und träumte jedesmal davon, sie ihren Herrchen ins Maul zu stopfen, dann verscheuchte
er ein paar verkeimte, fußlahme Möwen und kam am Porto Antico heraus. An den halbverlassenen Kais entlang legte er einen blitzsauberen
Tempolauf hin, er genoß den weiten Ausblick, die frische Luft und das grenzenlose Blau des Meeres, doch das Bild des auf dem
Holztisch ausgestreckten Schiedsrichters bekam er nicht aus seinem Kopf.
Auf dem Rückweg traf er an der Haustür auf den Nachbarn, der unter ihm wohnte. Dieser war gerade unterwegs zur Arbeit und
grüßte mit einem Lächeln. Ein Typ aus Sri Lanka, immer höflich und nett, der das Treppenhaus täglich mit Hühnercurry, Hammelcurry
und sonst was mit Curry verpestete. Er, seine Frau und die beiden Kinder aßen die ganze Woche nichts als Curry, und sonntags
luden sie mindestens zwölf Freunde aus Sri Lanka in ihre fünfzig Quadratmeter ein, drehten die Musik voll auf und kochten
dreimal soviel wie an einem gewöhnlichen Werktag. Marco Luciani amüsierte sich über die endlosen Streitgespräche zwischen
ihnen und dem Neapolitaner aus dem ersten Stock ebenso wie zwischen dem Neapolitaner und der Alten |42| aus dem vierten Stock, einem Genueser Urgestein, das den ganzen Tag hinter dem Fenster lauerte und die Tauben fütterte. Nachts
marschierte sie mit dem Stock durch die Wohnung und zog die Schubkästen auf und zu.
Er rannte die drei Treppen zu seiner Wohnung hoch, wobei er im Kniehebelauf jede Stufe einzeln nahm. Mit Schrecken dachte
er, daß es noch Jahre dauern würde, ehe er aus diesem Loch herauskäme. Er wollte sich ein Häuschen an der Riviera nehmen,
in Camogli vielleicht, mit einem Fenster, von dem aus man zumindest einen Zipfel des Meeres sah. Dazu mußte er allerdings
die Beförderung zum Stellvertretenden Polizeipräsidenten abwarten. Mit einem Monatseinkommen von tausendachthundert Euro könnte
er dann schon fünf- oder sechshundert Euro für die Miete abzweigen. Oder er mußte auf eine Börsenhausse hoffen, damit er seine
zehntausend Euro Ersparnisse wiederbekam und als Kapitaleinlage für einen Immobilienkredit nutzen konnte. Bis dahin würde
er gute Miene zum bösen Spiel machen, zu den dreihundertfünfzig Euro Monatsmiete, dem Currygestank, dem Geschrei der Neapolitaner,
dem Tack-tack-tack des Gehstocks der Alten, den trippelnden Schatten, die vor ihm in die Gullys huschten.
Er duschte sich, setzte Teewasser auf, und da das Laufen ihn hungrig gemacht hatte, genehmigte er sich einen halben Toast
mit Butter und bitterer Orangenmarmelade, der einzigen Marmelade, die er ausstehen konnte.
Es war acht Uhr dreißig, als Linienrichter Giovanni
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