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freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani

Titel: freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Paglieri
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    »Verraten Sie mir ein Geheimnis, Herr Cavallo: Ist der Job eines Linienrichters … das Erkennen einer Abseitsstellung … tatsächlich
     so schwierig?«
    Sein Gegenüber lächelte: »Schwierig? Sagen wir lieber: unmöglich. Es ist physiologisch unmöglich. Sie können in einer Abseitssituation
     nicht gleichzeitig Ball, Verteidiger und Angreifer im Auge behalten. Eine Zehntelsekunde und ein Zentimeter genügen, und man
     hat sich geirrt. Aber wenn Sie wollen, verrate ich Ihnen das Geheimnis.«
    Marco Luciani spürte einen Schauder.
    »Das erste, was sie dir in diesem Job beibringen, ist: im Zweifelsfall die Fahne hoch. Besser, man zeigt eine Abseitsstellung |51| an, die es nicht gibt – das heißt, man vereitelt eine mögliche Torsituation –, als man übersieht eine tatsächliche Abseitsstellung,
     die dann zu einem irregulären Tor führt.«
    »Ach ja, und wieso?«
    »Weil ein zu Unrecht gegebenes Tor zweihundertmal in Zeitlupe gezeigt wird, das kann einen Volksaufstand nach sich ziehen,
     eine parlamentarische Untersuchungskommission. Wenn du aber an der Strafraumgrenze eine reguläre Aktion abpfeifst, dann wird
     das einmal gezeigt, und damit hat sich’s. Das ist das ganze Geheimnis.«
    Der Kommissar dachte an das Auge des Frosches, das
    Ohr des Dionysos und an den Fotoapparat in Adelchis Gehirn. Wichtig ist im Leben, dachte er, daß man sich wichtig macht.
     
    Er blieb bis spät im Büro, las die Berichte, die Giampieri ihm nach und nach zukommen ließ, und sorgte dafür, daß Iannece
     einige Nervensägen abwimmelte: einen Versicherungsdetektiv, der seine Mithilfe anbot, eine Seherin, die behauptete, sie könne
     zu Ferretti im Jenseits Kontakt aufnehmen, sogar zwei, drei Fußballfans, die sich des Mordes an dem »Hurensohn« bezichtigten,
     den »endlich die gerechte Strafe ereilt« habe. Schon seit Sonntag abend gingen per E-Mail Bekennerschreiben von verschiedenen
     Fanorganisationen ein, angereichert mit Listen der vom Schiedsrichter verschuldeten Benachteiligungen und Drohbotschaften
     an die gesamte Zunft. Aber sie maßen ihnen keine Bedeutung bei.
    Als Iannece sich auf den Heimweg machte, schaute er wie gewöhnlich noch einmal bei Luciani herein. »Herr Kommissar, wollen
     Sie am Sonntag mit uns Mittag essen gehen?«
    »Wenn das so weiter geht, dann werden wir am Sonntag wohl eher arbeiten, Iannece.«
    |52| »Sakra … sogar am Sonntag? Aber da ist unser Ausflug. Wir haben schon alles organisiert, Familien eingeschlossen … Meine Frau
     bringt die Kinder mit, Calabrò seine, und die anderen Jungs kommen mit Frau beziehungsweise Freundin.«
    Marco Luciani dachte, daß er seinen Leuten nach dieser Woche, in der sie vermutlich wie die Sklaven würden schuften müssen,
     ein paar Stunden mit der Familie nicht versagen konnte; aber wenn er sich vorstellte, einen ganzen Tag mit Iannece, seinen
     fettleibigen Kindern und seinen Grammatikfehlern zu verbringen, dann bekam er Gänsehaut.
    »Nun, wenn das so ist …«, sagte er. »Und wo geht ihr hin?«
    »Zu ›Mario‹, diesem Restaurant im Hinterland von Voltri. Da kann man essen, soviel man will, zum Fixpreis: fünfundzwanzig
     Euro, alles inbegriffen, Wein, Kaffee und Abducker. Letztes Mal habe ich vier Teller vom ersten und vier vom zweiten Gang
     gegessen.«
    »Du bist wirklich ekelhaft, Iannece.«
    »Und viermal Dessert.«
    »Und dann viermal Grappa?«
    »Das nicht, Herr Kommissar. Ich hatte Nachtschicht und mußte anschließend zum Dienst. Da durfte ich nicht über die Stränge
     schlagen.«
    Marco Luciani schwieg.
    »Und, Herr Kommissar?«
    »Was, und?«
    »Kommen Sie Sonntag zum Mittagessen?«
    Der Kommissar senkte den Blick. »Ich würde ja gerne, wirklich, aber wenn ihr alle geht, dann muß hier schließlich irgend jemand
     die Flöhe hüten.«
    Iannece schüttelte den Kopf. »Das ist eine Ausrede, Herr Kommissar, Sie wissen genau, daß die Schicht der Wachhabenden bleibt.
     Ich weiß, warum Sie nicht mitkommen.«
    |53| »Warum?«
    »Weil Sie keinen Wert auf unsere Gesellschaft legen.«
    »Das ist absolut nicht wahr.«
    »Ich behaupte ja nicht, daß Sie uns damit unrecht tun, Sie haben studiert und wollen lieber Ihre Zeit mit Gebildeten verbringen,
     mit Leuten von Klasse. Sie wollen in Edelrestaurants essen.«
    Der Kommissar war wie vom Donner gerührt. Sie arbeiteten seit Jahren zusammen, und erst jetzt wurde ihm klar, daß seine Kollegen
     ihn für einen Snob hielten. Er fragte sich, womit er einen solchen Ruf verdient

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