freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
diverse Trophäen, Pokale und Medaillen. Über dem Kamin hing ein großes gerahmtes
Foto, das Ferretti zwischen Roberto Baggio und Ronaldo zeigte. An den Wänden einige Bilder, vermutlich von Wert, unter anderem
ein Porträt der Hausherrin, das von einem angesagten Künstler gemalt war.
»Sie haben ein sehr schönes Haus«, sagte er in einem Tonfall, der nach purer Höflichkeit klang.
»Danke«, antwortete die Dame in genau demselben Tonfall.
Sie bot dem Kommissar einen Whiskey an, und als er ablehnte, schenkte sie sich ein ordentliches Glas ein und fragte, was sie
ihm reichen dürfe. Marco Luciani antwortete, daß ein Lemonsoda ideal wäre, Tonic Water oder ein |97| Glas Mineralwasser ohne Kohlensäure aber auch mehr als genehm. Die Frau rief das philippinische Hausmädchen herbei und gab
mit gekünstelter Stimme ein paar übertrieben harsche, knappe Anweisungen.
Der Kommissar hatte Monica Ferretti erst einmal gesehen, und nur für ein paar Minuten – kurz nach dem Ableben ihres Mannes.
Verständlicherweise war sie da völlig aufgelöst gewesen, hatte farblos und wenig attraktiv gewirkt: eine Frau aus gutem Haus,
an der allein die Mitgift ihrer Eltern interessant war. Jetzt, da er ihr zuhörte und sie eingehend betrachtete, merkte er
schnell, daß dieser erste Eindruck nicht ganz der Wirklichkeit entsprach: Wohlgeformte Nase, volle Lippen, ein trainierter
Körper. Sie war sechsunddreißig, aber der kühle Blick und die übertrieben akkurate Frisur ließen sie mindestens vier, fünf
Jahre älter aussehen. Es war äußerst selten, daß Frauen sich schminkten und frisierten, um reifer zu wirken, aber dies war
hier der Fall. Witwe Ferretti achtete auch genau auf ihre Gestik und ihren Tonfall, aber einem guten Beobachter entging nicht,
daß ihre Eleganz nicht angeboren, sondern das Ergebnis harten Trainings war. Nein, sie war nicht in einem Viertel wie diesem
hier geboren, mit Lichtschranke und Videokamera am Tor, mit Park und Hausdame. Er sah sie vor sich, wie sie in einer spießigen
Mietwohnung aufwuchs, mit nur einem Bad und wahrscheinlich ohne eigenes Kinderzimmer. Keine Tragödie, aber auch kein Leben,
nach dem man sich zurücksehnte. Wer einmal die Vorzüge eines persönlichen Badezimmers mit Hydromassage, eines Wintergartens
voller Blumen und Pflanzen, eines Wasch- und Bügelzimmers und der Dienstboten genossen hatte, der gewöhnte sich nicht so leicht
wieder um.
Da war jedoch ein Punkt zu klären: Wenn weder sie noch er aus reichen Verhältnissen stammten, wo kam dann dieses Haus her?
|98| Die Witwe schien in seinem Gesicht gelesen zu haben und griff seiner Frage vor, einen lässigen Ton anschlagend: »Sie fragen
sich bestimmt, Herr Kommissar, wie es ist, allein in einem so großen Haus zu leben. Oder vielleicht fragen Sie sich – Sie
sind ja nun einmal Polizist und zum Ermitteln da, nicht um mich zu bedauern –, wie wir uns ein derart luxuriöses Heim leisten
konnten …«
Marco Luciani antwortete nicht, und er hielt sich auch nicht mit der Frage auf, ob sie ihm mit der Anspielung auf die Einsamkeit
Avancen machen wollte. Er setzte nur ein Gesicht auf, das besagen sollte: Da Sie schon einmal das Thema anschneiden, gnädige
Frau, lassen Sie uns Klartext reden.
»Sehen Sie, Herr Kommissar, diese Frage ist mir schon oft gestellt werden, manchmal offen, viel öfter aber wortlos, mit einem
scheelen Blick. Ganz zu schweigen von dem, was nach der letztjährigen Affäre geschehen ist … nach der Meisterschaft, meine
ich. Die Journalisten, die hier auf der Lauer lagen, die Mütter der Schulfreunde von Luca, meinem Sohn. Wer auch immer hier
hereinkam, schaute sich um und dachte: Hey, dann ist es also wahr, daß Schiedsrichter käuflich sind, jetzt schau dir mal an,
in was für einer Villa die wohnen! Und das gilt auch für Sie, oder irre ich mich?«
Auch diesmal blieb Marco Luciani die Antwort schuldig.
»In der Regel antworten die Schiedsrichter: ›Meine Frau kommt aus einem wohlhabenden Elternhaus‹, aber mein Mann konnte nicht
einmal das anführen. Meine Eltern haben mir nur eine gute Erziehung, Familiensinn und Wahrheitsliebe mitgegeben. Und auch
Tullio kam nicht aus reichen Verhältnissen, wie übrigens fast keiner der Schiedsrichter; in der Regel entstammen sie dem Kleinbürgertum
oder der Mittelschicht. Vielleicht weil niemand von den oberen Zehntausend in eine Trillerpfeife blasen muß, um |99| die anderen springen zu lassen. Wie auch immer,
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