freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
um Verzeihung. Schläger zu zertrümmern … Ich hätte verdient,
daß man mich aus dem Club schmeißt.«
»Vergessen Sie die Schläger, Herr Kommissar, die kann man wieder kaufen. Was sich nicht so leicht zertrümmern und wieder zusammenbasteln
läßt, das ist die Selbstachtung.«
»Um Gottes willen, es war nur ein Tennismatch …«, sagte Luciani lächelnd.
»Und trotzdem setzt bei Ihnen deshalb der Verstand |140| aus, wie mir scheint. Ich habe gesehen, wie gut Sie heute gespielt haben, ein erhebender Anblick: flache Bälle, angeschnittene
Rückhandschläge, Volleys, Sie spielen, wie man es zu meiner Zeit tat … Irgendwann fehlten Ihnen nur noch zwei Punkte zum Matchgewinn,
wenn ich nicht irre.«
»Leider irren Sie nicht.«
»Eben. Sie hatten sich mit einer bestimmten Spiel- und Angriffstaktik hervorragend geschlagen, aber für diese beiden Bälle
haben Sie Ihre Taktik geändert. Warum?«
»Ich wollte meinen Gegner überraschen. Da ich dachte, er warte auf den üblichen Angriff, habe ich eine Variante gewählt.«
»Und er hat Sie aufs Kreuz gelegt.«
»Ja.«
»Es ist sinnvoll, den Gegner zu überraschen, aber nicht zwei Punkte vor dem Sieg. Das können Sie machen, wenn es 40:0 oder
0:40 steht, einfach um es einmal auszuprobieren. Aber die entscheidenden Bälle müssen mit Hilfe der Statistik gespielt werden:
Wenn ein bestimmter Angriffsschlag dem Gegner nicht behagt oder ihn schon einmal in die Bredouille gebracht hat, dann mag
er sich noch so sehr darauf einstellen – er wird sich vor dem Schlag fürchten, und Angst ist schon der halbe Fehler. In den
entscheidenden Momenten darf man nie improvisieren, in den entscheidenden Momenten braucht man einen klaren Verstand, einfache
Lösungen. Und mit Improvisation stellt man sich selbst ein Bein, immer.«
»Aber es ist die Phantasie, die meinem Spiel das gewisse Etwas verleiht.«
»Oder das gewisse Etwas nimmt.«
»Wieso nimmt?«
»Weil die Phantasie dafür sorgt, daß Sie die schönsten und spektakulärsten Punkte machen. Aber die Punkte sind |141| alle gleich viel wert, ein Rückhand-Slice, den Sie Halbvolley im Hechtsprung spielen, zählt genausoviel wie der Return, den
Sie aus Unachtsamkeit ins Netz hauen. Sie haben es immer auf die spektakulären Punkte, die überraschenden Konterbälle abgesehen,
aber für jeden Punkt, den Sie machen, geben Sie zwei ab.«
»Nun, wenn man keinen Spaß dabei hat, braucht man gar nicht erst zu spielen.«
Der Geometer lächelte. »Genau. Das ist es. Dann gehen Sie auf den Platz, um Spaß zu haben, nicht um zu gewinnen. Das sind
zwei Paar Stiefel. Aber wenn Sie nur auf dem Platz stehen, weil Sie Spaß haben wollen, warum kriegen Sie dann Tobsuchtsanfälle?«
Marco Luciani senkte den Blick.
Der Geometer legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Hören Sie auf einen alten Hasen, der zu seinen Glanzzeiten ein paar schöne
Siege gefeiert hat. Sie sind Polizeikommissar, oder? Ich glaube nicht, daß Sie, wenn Sie einen Mörder fangen wollen, nur auf
die Phantasie bauen, im Sinne von Spürsinn und Intuition. Sie werden eine Unmenge an Fakten kontrollieren, Beschattungen,
Verhöre durchführen, also stundenlanges Arbeiten mit Hilfe der Statistik. Dann wird irgendwann wahrscheinlich auch der Moment
kommen, wo Sie die Erleuchtung haben, doch das passiert erst nach der nötigen Kleinarbeit.«
»Nun, meistens ahne ich von Anfang an, wer der Schuldige ist.«
»Sehr gut. Das heißt, Sie verstehen, mit welchem Gegner Sie es zu tun haben. Aber wenn er dann nicht gesteht, beginnt der
Kampf, um ihn festzunageln. Und dann müssen Sie die richtige Strategie entwickeln, um ihn weichzukochen, um ihn zu schlagen.
Sie müssen seinen Schwachpunkt finden. Wobei nicht gesagt ist, daß Sie nicht hinter dem Falschen her sind. Folglich müssen
Sie in jedem Fall alle |142| Tatumstände und alle anderen potentiellen Täter überprüfen, oder nicht?«
»Richtig«, sagte Marco Luciani, wobei er mit Erleichterung dachte, daß diesen Teil der Arbeit vor allem Giampieri erledigte.
»Gut. Und auf der Gegenseite, wie sieht es da aus? Ich wette, daß es zwei Grundtypen von Mördern gibt: den Instinkttäter,
der in einer bestimmten Situation aus Affekt handelt, sei es Zorn, Habgier, Eifersucht oder sonstwas, und dann den Rationalen,
der die Tat bis ins letzte Detail plant, einen Fluchtweg vorbereitet, die Spuren verwischt. Habe ich recht?«
»Ähmm … könnte man sagen.«
»Nun, ich denke, es versteht sich von
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