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freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani

Titel: freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Paglieri
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interessante Theorie. Und hast du auf die Art viele rumgekriegt?«
    |135| »Keine einzige«, sagte der Kommissar, klopfte seinem Vize auf die Schulter und ging zur Tür.
    »Hör zu, ich muß ganz dringend weg. Kann sein, daß es nichts bringt, kann aber auch sein, daß … Halt hier die Stellung. Ich
     komme am frühen Nachmittag zurück.«
    Giampieri blieb eine Antwort schuldig. Naturgemäß schmeckte ihm der Gedanke nicht, daß er über eine potentielle neue Spur
     nicht informiert wurde. Aber ebenso naturgemäß blieb er gerne allein in dem Trubel zurück, weil er dann mit Zeugen, Anrufern
     und Journalisten nach eigenem Gutdünken verfahren konnte. Wer weiß, womöglich rief der Staatsanwalt gerade dann an, wenn der
     Kommissar außer Haus war. Und wenn der Staatsanwalt nicht anrief, dann konnte Giampieri es selbst tun, unter einem x-beliebigen
     Vorwand.
    Während Marco Luciani aus dem Büro rannte, dachte er einen Augenblick darüber nach. Er nahm den Aufzug, sprang ins Auto und
     schaltete das Martinshorn ein. Scheiß drauf, dachte er, soll er doch anrufen, wen er will. Das ist das letzte Stück Freiheit,
     das mir geblieben ist, und das lasse ich mir von keinem nehmen.
    Die Zeit von zwölf bis vierzehn Uhr am Freitag war dem Tennis geweiht, und diese zwei Stunden verteidigte Luciani eisern gegen
     jegliche Übergriffe der Arbeit oder sonstigen Schwachsinns. Es war nicht nur eine Frage der körperlichen Betätigung, dazu
     hätte er auch joggen gehen können. Aber beim Joggen bekam man den Kopf nicht frei von der Arbeit, es verlangte keine geistige
     Anstrengung. Wenn der Kommissar zwei Stunden lang abschalten wollte, indem er sich auf etwas anderes konzentrierte, dann mußte
     er Tennis spielen, möglichst gegen einen stärkeren Gegner, der kein Abschweifen, keine Unkonzentriertheit zuließ. Nach den
     zwei Stunden Tennis kam er oft mit einem völlig leergefegten Geist zurück, und dann konnten ihm wichtige Einfälle |136| kommen, er entdeckte Details, die er vorher übersehen hatte, oder zumindest redete er sich das ein, um sein Gewissen zu beruhigen.
    Mit heulender Sirene fädelte er sich in die Busspur ein. Er fuhr Richtung Bogliasco, einem Küstendörfchen vor den Toren der
     Stadt. Dort wartete ein schöner Sandplatz im Freien auf ihn.
     
    Sein Freund Andrea war schon dabei, die weißen Linien abzukehren. Er war ein fanatischer Anhänger des Stretchings und kam
     deshalb mindestens eine halbe Stunde vor Spielbeginn. Er folgte einem immergleichen Ritual. Jede einzelne Geste, die auf das
     Betreten der Umkleidekabine folgte, war in jahrelanger Ausübung bis ins kleinste erprobt und verfeinert worden und hatte nun
     zur perfekten Präparation geführt. Andrea stellte die Tasche auf die Bank, möglichst immer auf dieselbe. Er zog sich aus bis
     auf die Unterhose, legte seine Kleider zusammen und stapelte sie fein säuberlich neben der Tasche. Dann öffnete er diese und
     zog der Reihe nach Socken, Schuhe, Hemd und Shorts an. (Marco Luciani fragte sich immer, warum zuerst die Schuhe und dann
     die Shorts, hatte diese Frage aber nie zu stellen gewagt.) Die Trikots waren immer gewaschen und gebügelt, an den Schuhen
     hingen nie Staubspuren der letzten Partie. Im Winter zog Andrea auch Ober- und Unterteil des Trainingsanzugs an. Er legte
     die Bälle in eine Reihe, stellte die Wasserflasche dazu, schichtete die Kleidungsstücke in die Tasche, verschloß diese und
     begann mit dem Aufwärmprogramm, das immer exakt zwölf Minuten dauerte. Er »zog« und dehnte zuerst Hände, Arme und Schultern,
     dann den Rumpf, Oberschenkel und Waden, wobei er sorgfältig ein- und ausatmete. Man konnte ihn dabei ruhig ansprechen, aber
     eine Antwort durfte man nicht erwarten, nicht einmal, daß er einem zuhörte. Danach ging Andrea pinkeln, zog |137| sich Schweißbänder übers Handgelenk, setzte die Mütze auf, nahm Tasche und Schläger und lief zum Court.
    Ein einziges Mal war er – wegen eines Autounfalls – zu spät gekommen, besser gesagt: nur fünfzehn Minuten vor offiziellem
     Spielbeginn. Er hatte sich entschuldigt und dann genau wie immer sein Ritual abgespult, ohne auf die Idee zu kommen, daß man
     es eventuell hätte verkürzen oder beschleunigen können. Sie waren mit fünfzehnminütiger Verspätung auf dem Platz aufgelaufen,
     und Marco Luciani fand, daß dies letztlich seine Richtigkeit hatte.
     
    Andrea war ein langweiliger Spieler mit monotoner Taktik. Sein Vorbild war Björn Borg, und wie ein Heiligtum

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