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freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani

Titel: freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudio Paglieri
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theoretisch möglich sei, daß einer
     der Hooligans, wer auch immer, ihn auf so unorthodoxe Art verletzt habe, weil es im Fallen passiert sei, und daher sei es
     theoretisch möglich, daß der Junge es unabsichtlich getan habe.
    Kaum hatte er die erste Verblüffung überwunden, dämmerte Marco Luciani, was gespielt wurde. Nachdem Valle gesehen hatte, wer
     da aus Turin angerückt war, hatte er wohl Lunte gerochen; er wußte, daß er nicht auf einer allzu kontroversen Version der
     Fakten bestehen durfte, andernfalls würde das Hickhack der Gutachten und Gegengutachten, der lancierten Zeitungsgerüchte beginnen,
     bis schließlich »irgendein Scheißkommunist in der Robe«, wie Valle sie nannte, ein Ermittlungsverfahren gegen ihn einleiten
     würde. Daher hatte er beschlossen, den Ball flachzuhalten, sehr flach.
    Dann war der Kommissar dran: Er erzählte von dem Hinterhalt vor seinem Haus, gab die Drohungen in genauem Wortlaut wieder,
     sagte, die Hooligans hätten die Messer gezückt und den Eindruck gemacht, als seien sie entschlossen, sie zu gebrauchen. Die
     Verteidigung legte Widerspruch ein, und der Richter bat Marco Luciani, von subjektiven Einschätzungen abzusehen und sich auf
     die reinen Fakten zu beschränken. Der Kommissar empfahl ihm |192| innerlich, er solle sich ins Knie ficken, und da er von der ganzen Schmierenkomödie die Nase voll hatte, sagte er, nach dem
     Eingreifen Valles habe er sich an die Hauswand gelehnt und nichts mehr gesehen. Die restlichen Fragen beantwortete er einsilbig.
    Der Anwalt der Angreifer hatte seine Mandanten angehalten, so wenig wie möglich den Mund aufzumachen. Sie sagten häufig: »Ich
     weiß nicht …«, »Ich erinnere mich nicht …« und baten um die Erlaubnis, ein Schreiben zu verlesen. Darin entschuldigten sie
     sich bei Luciani, sie bekundeten Reue und betonten, daß sie ihn nur hatten erschrecken wollen. Nie und nimmer hätten sie ihre
     Messer gebraucht.
    Der Kronprinz der Verteidigung hatte bereits eine Kopie des Schreibens an alle anwesenden Journalisten verteilt. Und zu deren
     Ergötzung zog er auch beim Plädoyer alle Register.
    »Das sind junge Burschen, denen das Leben alles versagt hat«, sagte er, »weil
wir
ihnen alles versagt haben. Zerrüttete Familien, Lehrer, die ihnen nicht weiterhelfen konnten oder wollten, ein gewalttätiges
     Milieu, in dem das Geld nie bis zum Monatsende reicht und wo keine Hoffnung besteht, daß es im nächsten Monat besser wird.
     Und trotzdem haben diese Jungs ein gutes Herz, das zu Liebe fähig ist; das zeigt sich gerade in ihrer Hingabe an den Sport,
     eine aufrichtige und rückhaltlose Hingabe, wie in einer echten Liebesbeziehung, ja mehr noch: bisweilen ist diese Liebe zum
     Sport noch edler, noch ehrlicher, weil sie selbst Enttäuschungen und bitteren Niederlagen trotzt. Da diese Jungs nun ihre
     Mannschaft bedroht sahen, von allen Seiten belagert, mit Schmähungen und Anwürfen überhäuft, was blieb ihnen da zu tun? Wie
     Ritter im Mittelalter machten sie sich auf, ihre Minne zu verteidigen, sie sind in die Schlacht gezogen, um der Ehre ihrer
     Mannschaft, ihrer großen |193| Liebe willen, wie es jeder couragierte und opferbereite Mann tun würde.«
    Marco Luciani hoffte, daß der Anwalt der Anklage aufspringen und »Einspruch, Euer Ehren!« brüllen würde, doch dieser blieb
     mit unbeteiligter Miene sitzen, er schien in irgendwelche Unterlagen vertieft, und vielleicht hörte er nicht einmal zu bei
     den pseudosoziologischen Ammenmärchen, die der Prinz aus dem Hut zauberte.
    »… deshalb bin ich überzeugt, daß sie niemandem weh tun, sondern dem Opfer nur Angst einjagen wollten. Bedenken Sie, welche
     Unbedarftheit sie an den Tag legten bei dem Versuch, einen Polizisten einzuschüchtern, einen zwei Meter großen Kommissar,
     der zehn Dienstjahre auf dem Buckel hat! Sie können meines Erachtens von Glück reden, daß der Kommissar sich nicht gewehrt
     hat, daß er einen kühlen Kopf und beachtliche Selbstbeherrschung bewiesen hat, sonst wäre es den Burschen schlecht ergangen.
     Er hätte die Waffe ziehen und sie allesamt wie Kaninchen abknallen können.«
    Auch diesmal machte der Staatsanwalt sich nicht die Mühe, darauf hinzuweisen, daß der Kommissar unbewaffnet gewesen war. Von
     wegen »Einspruch, Euer Ehren«, dachte Marco Luciani, den Kronprinzen hätte man windelweich prügeln müssen, sich einen Knüppel
     schnappen, über die Brüstung springen und ihn – ohne auch nur ein Wort zu sagen – vertrimmen

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