freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
richtig?«
Der Kommissar stimmte zu: »Mir scheint, Sie wissen sogar schon zuviel.«
»Das heißt, das alles ist wahr?«
Marco Luciani gab ein Geräusch von sich, das »ja« bedeuten sollte.
»Dann gibt es noch eine ganze Reihe von Fragen, die mir bisher niemand beantwortet hat. Warum, zum Beispiel, war der Schiedsrichter
allein in einer Kammer, die normalerweise nicht benutzt wird. Wie ist er dort gelandet?«
»Weil er sich ungestört umziehen wollte. Da steckt kein Geheimnis dahinter, das machte er immer so. Und im Marassi-Stadion
hatte er diese Kammer schon mehrfach benutzt.« Er fragte sich, ob er ein intimes Detail für sich behalten sollte, dachte dann
aber: scheiß drauf. »Er schämte sich, nackt von anderen Männern gesehen zu werden, auch von seinen Linienrichtern.« Dann bereute
er sofort, daß er es verraten hatte, und sagte: »Das muß aber unter uns bleiben.«
»Alles, was Sie mir sagen, wird unter uns bleiben«, antwortete sie ein wenig pikiert. »Das heißt, er ist nicht extra dorthingegangen,
um sich umzubringen … und andererseits konnte ein Mörder gewußt haben, wo er zu finden war. Er konnte sogar gewußt haben,
daß er ihn dort allein antreffen würde, in einem abgelegenen Raum.«
»Und damit sind wir wieder bei Null angelangt.«
»Ja. Und das Hämatom, das er am Kopf hatte?«
Nach Rebuffo war sie bereits die zweite, die von diesem |212| Indiz sprach, obwohl es nicht an die Öffentlichkeit gedrungen war. Die Miene des Kommissars verdüsterte sich. »Sie wissen
tatsächlich zuviel.« Als sie ein Lächeln voll gespielten Schuldbewußtseins aufsetzte, schüttelte er den Kopf: »Ich habe mir
das Video vom Spiel angesehen. Das kam höchstwahrscheinlich von einem verirrten Schuß.«
Sofia Lanni dachte laut nach: »Hmm, damit fällt ein weiterer Grundpfeiler der Mordtheorie.« Da schien Bedauern mitzuschwingen,
aber sie hatte sich sofort wieder im Griff. »Noch eine ungeklärte Frage: die Anrufe. Haben die Verbindungsübersichten etwas
ergeben? Haben Sie sie überhaupt schon?«
Sie hatte ihren Cocktail schon fast ausgetrunken und schien trotzdem glasklar, eine Kampfmaschine in voller Aktion. Marco
Luciani war noch nicht einmal bei der Hälfte, und seine Hirntätigkeit war schon deutlich verzögert.
»Von den Verbindungsübersichten haben wir noch keine bekommen, das wird dauern, der letzte von Zeugen beobachtete Telefonkontakt
war mit der Ehefrau, kurz bevor Ferretti das Hotel Richtung Stadion verließ. Der Schiedsrichter muß in der Umkleide ein Handy
gehabt haben, ein Handy, das wir nicht gefunden haben, und das spricht für einen Mord. Soweit ich in Erfahrung bringen konnte,
rief ihn gewöhnlich jemand während der Halbzeitpause an, Journalisten und Clubmanager tun das, um Kritik und gute Ratschläge
loszuwerden. Das ist natürlich offiziell verboten, aber es gibt Leute, die da keine Skrupel kennen.«
»Leute wie Alfredo Rebuffo?«
Im Kopf des Kommissars schrillte eine kleine Alarmglocke. »Haben Sie ihn kennengelernt?«
»Leider. Ein ekelhafter, schmieriger Kerl. Ich will gar nicht auf Details eingehen, aber er scheint mir jemand zu sein, dem
kein Trick zu schmutzig wäre.«
|213| »Ja. Er macht keinen sehr gewinnenden Eindruck. Aber leider habe ich bisher nichts gegen ihn in der Hand.«
Sofia Lanni fing wieder an, ihre Notizen durchzublättern. »Und das Seil? Hatte er das mitgebracht oder dort gefunden?«
Marco Luciani war der Meinung, daß er genug verraten hatte: »Über das Seil wissen wir fast nichts. Es war neu, folglich hat
es entweder der Schiedsrichter oder sein Mörder extra für die Tat besorgt. Ein ganz gewöhnliches Wäscheseil, eine Sorte, die
in zig Geschäften verkauft wird. Wir haben halb Genua abgeklappert, aber wir sind nicht fündig geworden. Keine Spur von dem
Kauf.«
»Er könnte es auch in Turin besorgt haben.«
»Sicher. Wir haben einige Geschäfte in der Umgebung seines Hauses überprüft. Aber da wird die Suche zu schwierig. Wer weiß,
wo und wann der Kauf getätigt wurde, vielleicht ist es Monate her.«
Im Magen des Kommissars breitete sich allmählich eine angenehme Wärme aus. Das Licht war schummrig, das Mädchen neben ihm
das schönste und begehrenswerteste, das er je gesehen hatte. Er dachte, ein Verhör müßte immer so geführt werden, nicht mit
einem Glas Wasser, einer Lampe, die dich blendet, und einem wutschäumenden Polizisten, der dir in die Ohren brüllt. Setzt
eine Detektivin wie Sofia
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