freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
zuckersüßen
Lächeln grüßte. Der Kommissar antwortete, wahrscheinlich zum ersten Mal, mit einem ähnlich strahlenden Lächeln, auch wenn
er in seinem Innersten spürte, daß irgend etwas faul war. Es war nicht die Sorge um den ungelösten Fall und auch nicht die
ständige Frustration über die Ungerechtigkeit der Welt und die Sinnlosigkeit seiner Arbeit, sondern eine böse Vorahnung.
Er hatte die schmerzhafte Lektion gelernt, daß man nie mit dem Guten rechnen sollte; und gerade in so einem Moment, da alles
bestens zu laufen schien, spürte er, daß irgendwo eine böse Überraschung lauerte.
Als er die Bürotür öffnete, war sie wieder da, diese Vorahnung, so stark, daß sie ihn fast betäubte. Jemand hatte eine Zeitung
auf seinen Schreibtisch gelegt und einen Artikel rot eingerahmt. Es war ein Leitartikel auf der ersten Seite, mit dem Titel
»Der Fußball ist nicht Tangentopoli 1 «. Dem |231| Kommissar schwante gleich, worum es ging. Er blieb stehen und begann zu lesen. Der Artikel war in gemäßigtem, aber klarem Ton geschrieben. Er begann mit einer vordergründigen Würdigung
von Lucianis Arbeit, wandelte sich aber schnell in eine vernichtende Kritik.
Zuerst verbreitete er sich darüber, daß man unbedingt »die Sache bis ins letzte aufklären« müsse, daß auch der allerkleinste
Zweifel über das moralische Fundament einer Branche ausgeräumt werden müsse, die inzwischen fest in unserem Leben verankert
sei und das »nationale Image« im Ausland präge. Der Autor gab seiner Hoffnung Ausdruck, daß es im Profifußball keine heiligen
Kühe gebe, andererseits aber auch keine schmutzigen Spielchen, mit denen bestimmte Clubs geschädigt werden sollten. Daß niemand
diese Tragödie mißbrauche, um sich einen sportlichen Vorteil zu verschaffen, um die laufende Meisterschaft nachhaltig zu beeinflussen
oder ein zweifelhaftes Licht auf die vergangenen zu werfen, die, »solange das Gegenteil nicht bewiesen«, mit sportlicher Fairneß
ausgetragen worden seien.
Der Autor stellte die Frage, warum sich ein nach außen hin einfacher Fall – der tragische Selbstmord eines depressiven Menschen
– von Tag zu Tag weiter zu verwirren schien. »Mit den Ermittlungen wurde ein absolut integrer Kommissar betraut, ein Mann,
der jedoch etwas zu obsessiv seiner Idee von Gerechtigkeit nachjagt und weder sich noch sonst jemandem etwas durchgehen läßt.«
Zwar nannte der Autor Luciani nie beim Namen und tat, als wollte er dessen »unbestechliche Seele« und »den unbeugsamen Willen«
loben, – im Grunde meinte er aber, daß der Kommissar in seinem Vorsatz, um jeden Preis einen Schuldigen zu finden, auf Abwege
geraten sei und Unschuldige in Bedrängnis bringe. Daß der Kommissar damit einen »Kreuzzug im Stile eines Savonarola« (hier
hätte es Luciani fast vom Hocker gehauen) und letztlich einen Kampf gegen die Windmühlen |232| führe. Um seine These zu untermauern, enthüllte der Journalist, daß »dieser Ermittler immer schon gnadenlos seine Vorstellung
der Justitia verfolgt hat: Als sein Vater, einer der bekanntesten und reichsten Strafverteidiger Italiens, in den Tangentopoli-Skandal
verwickelt wurde, gehörte er zu dessen strengsten Richtern. Der Kommissar änderte seinen Nachnamen, brach jeden Kontakt zum
Vater ab und verzieh ihm nie, nicht einmal nachdem der betagte Herr seine Schuld gegenüber der Gesellschaft beglichen hatte.«
Dann kam der Leitartikler auf Einzelheiten der Ermittlungsarbeit zu sprechen, er berichtete von dem »verspäteten« Fund des
Handys im Auto des Schiedsrichters; er kritisierte summarisch die Art, mit der Nachforschungen und Haussuchungen durchgeführt
wurden, und erklärte, daß der Handy-Fund einen Grundpfeiler der Mordtheorie sprenge und außerdem Schiedsrichter Ferretti von
den Unterstellungen reinwasche, die man über ihn verbreitet habe. Der Artikel war nur mit zwei Kleinbuchstaben unterzeichnet:
m.t.
Sie paßten weder auf den Chefredakteur noch auf die für gewöhnlich mit dem Fall betrauten Reporter.
Luciani grübelte eine Weile, wobei er im Büro hin und her spazierte. So einen Artikel bekam man nicht oft zu lesen, und schon
gar nicht über einen unbedeutenden Polizeikommissar. Wenn schon, wäre es sinnvoller gewesen, sich über den zuständigen Staatsanwalt
aufzuregen, auch wenn es de facto die Polizei war, die die Ermittlungsarbeit leistete. Es war nicht so sehr die Tatsache,
daß man sein privates Schicksal breitgetreten
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