freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
öffnen konnte.
»Hier drin steckt die ganze Wahrheit«, sagte Giampieri mit feierlicher Stimme, ehe er das winzige Motorola-Handy der Kriminaltechnik
gab, »denn inzwischen ist unser ganzes Leben da drinnen gespeichert: Ortswechsel, Kontakte, Anrufe, Gemütszustand und Gefühle.
Man muß sie nur entziffern können, und das ist unsere Aufgabe.«
|225| Während er auf das Ergebnis wartete, rief der Vizekommissar reihum noch einmal Linienrichter, Hausmeister, die Ordner im Stadion
und die Spieler an. Er wollte überprüfen, ob man den Schiedsrichter tatsächlich mit Handy im Stadion gesehen hatte. An den
vorangegangenen Tagen hatte er weiter Verwandte, Freunde und Bekannte befragt, hatte immer wieder aufs neue – diesmal mit
größerem Zeitabstand – dieselben Fragen gestellt. Unermüdlich kontrollierte er, ob ihre Version der Fakten stets dieselbe
blieb. Manchmal reichte eine winzige Inkohärenz, um einen Fall zu lösen. Ein falsch verstandenes Wort, eine Differenz von
einer Minute oder einem halben Meter.
Für Luciani hatte sich durch den Handy-Fund kaum etwas geändert, auch nicht die schlechte Meinung, die er von seinen Leuten
hatte. Er beschränkte sich darauf, die SMS und die gespeicherten Anrufe zu kontrollieren. Nachdem er nichts Interessantes
gefunden hatte, verlangte er, daß man ihm das Telefonbuch aus Ferrettis Handy abschrieb. Dann schloß er sich im Büro ein,
spielte Tetris und überlegte, wie und wann er sich bei Sofia Lanni melden sollte.
Gegen drei Uhr nachmittags rief Baffigo an. Er wollte wissen, ob das Handy wichtige Hinweise geliefert habe.
»Woher weißt du, daß wir es gefunden haben?«
»Das weiß doch jedes Kind. Meinst du, die Witwe behält so eine Nachricht für sich?«
»Ach ja, klar. In ihrem Spielchen bringt sie das weiter: hundert Zusatzpunkte für die Suizidtheorie.«
»Und?«
»Nein, nichts bisher. Aber wenn sich etwas ergeben sollte, bist du der erste, der es erfährt.«
Der Journalist lachte: »Ja, ja, ich hab schon verstanden. Sieht man sich mal wieder am Abend, oder hast du zuviel zu tun?«
|226| Marco Luciani meinte, einen ironischen Unterton herauszuhören. Ob der Journalist auch schon von Sofia Lanni wußte?
»Nein, an einem der nächsten Abende können wir uns gern treffen.«
»Sag mir nur eines: Warum taucht das Handy gerade jetzt auf? Ich meine, könnte das nicht auch die Witwe dort deponiert haben?«
»Ich würde dir gerne sagen, daß es sich so verhält, aber die Erklärung ist leider viel einfacher. Das geht auf unsere Kappe.«
»Nein! Du willst doch nicht sagen, daß das Handy die ganze Zeit dort war und ihr es nicht entdeckt habt?«
»Hmm.«
»Na ja … Kopf hoch, wie heißt es: ›Nur wer nichts macht, macht auch keine Fehler.‹ Hoffen wir, daß wenigstens etwas dabei
herauskommt.«
Der Kommissar legte auf. Er hatte sich vor seinem Freund blamiert und bereute, daß er ihn nicht seinerseits auf den Arm genommen
hatte, weil Baffigo Schiedsrichter Ferretti zu Unrecht verleumdet hatte. Wenn das Handy im Auto geblieben war, fiel die Theorie
der Telefonkontakte zur Halbzeit in sich zusammen, zumindest für den betreffenden Sonntag.
Giampieri kam und berichtete, daß sich allein der Hausmeister noch daran erinnern konnte, Schiedsrichter Ferretti im Stadion
mit Handy gesehen zu haben, daß aber auch er nicht mehr ganz sicher sei. Der Hausmeister habe den Eindruck, er habe ihn mit
»irgend etwas« hantieren sehen, als wolle er eine SMS verschicken; aber auf die gezielte Nachfrage, ob das statt eines Handys
auch ein Palm hätte sein können, habe er geantwortet: »Was fürn Ding?« »Meiner Meinung nach ist er nicht sehr zuverlässig.
Einer, |227| der einen Palm nicht von einem Handy unterscheiden kann …«, schloß er mit angewiderter Miene. Er ließ die Liste mit Ferrettis
Telefonverzeichnis da und ging. »Wir rufen sie der Reihe nach an und fragen, ob er sich bei jemandem gemeldet hat. Man weiß
ja nie.«
Marco Luciani ging die Liste durch. Rund hundert Namen, die ihm nichts oder fast nichts sagten, außer Adelchi, Colnago und
Cavallo. Als er zu »P« wie »Physiotherapeut« kam, fand er eine Nummer, die ihm bekannt vorkam. Er glich sie mit dem gelben
Notizzettel ab – es war die Nummer der Brasilianerin. Ihm kam noch etwas in den Sinn: Er suchte die Handynummer von Saggese,
checkte noch einmal die ganze Liste und fand die entsprechende Nummer unter »Mineraldrinks«. Offensichtlich hatte sich der
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