freeBook Kein Espresso fuer Commissario Luciani
»sogar am fünfzehnten August habe ich da einsame Strände gefunden«. Der Kommissar nickte halbherzig, doch
irgendwo in seinem Hirn tauchte das Bild von Sofia Lanni auf, die an einem endlos weißen einsamen Strand oben ohne aus dem
Meer kam, sich auf ihn legte und ihre gebräunten, salzigen Brüste auf seine Lippen preßte. Diese Vision nahm ihn für eine
Weile gefangen, dann hatte er überschlagen, daß er sie, ohne allzu große Opfer, höchstens zum Zelten mitnehmen konnte. Und
daß dies der Anfang vom Ende ihrer Beziehung sein würde.
Delrio setzte die höfliche Konversation fort, bis der Kaffee kam. Doch kaum hatte der Junge aus der Bar sie allein gelassen,
war Schluß mit dem Geplänkel: »Es ist wohl besser, wenn ich jetzt zum Punkt komme, Herr Kommissar. Doktor Angelini ist sehr
aufgebracht über den Artikel, aber vor allem über den Stand der Ermittlungen. Ich muß gestehen, daß er über Sie einige kritische,
über Ihren Vize Giampieri dagegen positive Kommentare abgegeben hat. Ihr Stellvertreter macht im übrigen auch auf mich einen
hervorragenden Eindruck.«
»Er ist ein fähiger Bursche«, sagte Marco Luciani, »beschlagen, genau, effizient. Und ehrgeizig.«
»Ich mag ehrgeizige Leute. Die Ehrgeizigen sind der |236| Motor der Gesellschaft«, antwortete Delrio, und der Kommissar fühlte sich sofort wie ein abgesoffenes Auto, das am Straßenrand
steht, während die anderen der Zukunft entgegenrasen.
»Sei’s drum. Ich habe Sie gegen Angelinis Kritik in Schutz genommen, ich tat es gerne und aus Überzeugung. Sie sind ein hervorragender
Ermittler und haben Bedeutendes geleistet. Ich habe mir erlaubt, Sie auch gegen die Kritik des Journalisten in Schutz zu nehmen.
Den Direktor kenne ich persönlich, und ich habe ihn bereits angerufen, um gegen Tonfall und Gehalt des Artikels zu protestieren.
Ich habe noch einmal klargestellt, daß ich die Ermittlungen leite und allein dafür verantwortlich bin und daß ich weitere
Angriffe auf meine Mitarbeiter nicht dulden werde. Ich habe auch dafür gesorgt, daß einige mit mir befreundete Journalisten
aktiv werden und morgen etwas diametral Entgegengesetztes schreiben. Ich mußte ihnen einige Argumente liefern … das heißt,
ein paar Einzelheiten, die wir noch nicht publik gemacht hatten, natürlich zweitrangige Details, die aber Zweifel an der Selbstmordthese
nähren. Sie sollen klarmachen, warum die Ermittlungen weiterlaufen und warum sie zu Recht weiterlaufen, bis nicht der letzte
Zweifel ausgeräumt ist.«
Marco Luciani wußte nicht, was er erwidern sollte. Er sagte: »Ich danke Ihnen«, und beließ es dabei.
»Soweit die Sache mit dem Zeitungsartikel – damit sollte man meiner Meinung nach keine Zeit mehr verschwenden. Aber unter
uns gesagt, und das soll nicht nach außen dringen, auch ich mache mir ein bißchen Sorgen. Sie können sich nicht vorstellen,
welchem Druck wir wegen der Geschichte standhalten müssen. Ein bißchen geht es um
panem et circenses
, Brot und Spiele, alle machen sich Sorgen um die armen Fans, die sich nach der schönsten Nebensache der Welt sehnen und für
die sonntags wieder der Ball |237| rollen soll. Aber vor allem sind Leute auf höchster Ebene in die Sache involviert, und Sie wissen besser als ich, wieviel
Geld an den Clubs hängt. Aber Millionen Euro, und das ganze System ist verzahnt, ein Mechanismus, bei dem der erste Stein,
der fällt, den nächsten kippt, dann den nächsten, und so weiter, nach dem Dominoprinzip. Die Schiedsrichter müssen den mächtigsten
Clubs zum Sieg verhelfen, denn die brauchen die Gelder aus dem Fernsehtopf und von Sponsoren, um den Schuldenberg bei den
Banken abzutragen; und die Banken, die von den Politikern kontrolliert werden, haben Geld an die Clubpräsidenten geliehen,
die ihrerseits die Parteien finanzieren. Wenn die Politiker nicht gleich auch Clubpräsidenten sind und die Siege der Mannschaft
zum Stimmenfang nutzen. Ich brauche nicht darauf hinzuweisen, daß in wenigen Monaten Wahlen anstehen – in Italien stehen ja
immer in wenigen Monaten Wahlen an.«
Ferretti war der erste Dominostein, der gekippt war, und der Stein daneben, mit dem Gesicht Alfredo Rebuffos, war nun bedenklich
am Wackeln. Wenn auch er fiel, dann würde er das ganze liebevoll aufgebaute Spiel mitreißen.
»Was wollen Sie mir damit sagen?« fragte Marco Luciani.
»Nichts. Nur daß Sie mein Vertrauen genießen, aber daß uns nicht allzuviel Zeit bleibt. Deshalb bitte
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