freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
mit einem Blick auf das bleiche Gesicht der Toten.
»Damals vielleicht«, sagte Sigislind ernst. »Jetzt …« Sie hob langsam die Schultern. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, was ich noch glauben soll. Was wir euch glauben sollen.«
»Thor hat drei Lichtbringer erschlagen«, gab Bjorn zu bedenken.
»Es wäre nicht das erste Mal, dass man die eigenen Krieger opfert, um sich das Vertrauen seiner Feinde zu erschleichen«, sagte Sverig. »Sie glauben doch ohnehin, dass ihr Gott sie nach ihrem Tod damit belohnt, sie auf ewig an seiner Tafel zu bewirten und mit Ruhm und Ehren und immerwährenden Freuden zu belohnen. Warum also sollten sie den Tod fürchten?«
»Sverig, bitte sei still«, sagte Sigislind matt. Sie sah ihn bei diesen Worten nicht einmal an. Aber da war noch etwas. Sigislind hatte noch nicht alles gesagt, das spürte Thor.
»Vielleicht will ich dir ja glauben«, fuhr die dunkelhaarige Frau fort. »Thor hat euch also gerettet, und dann seid ihr auf Bjorn und seine Männer gestoßen und hierhergekommen.«
Urd nickte, und Sigislind fragte in unverändert müdem Ton: »Und warum hast du Hensvig und seine Frau umgebracht?«
Urd starrte sie an, und Nele schlug noch einmal die Hand vor den Mund, diesmal, ohne dass ein Laut über ihre Lippen gekommen wäre. Doch niemand außer ihnen und Thor selbst wirkte erschrocken oder auch nur überrascht.
»Was hast du gesagt?«, murmelte Thor schließlich. Das war … grotesk .
Sigislind streckte die Hand aus. Sverig griff unter sein Wams und zog einen kleinen Lederbeutel hervor, den er ihr reichte und den sie wiederum an Urd weitergab.
»Du weißt, was das ist?«
»Das … ist ein Kräuterelixier«, sagte Urd zögernd.
»Das ich in deinem Haus gefunden habe«, fuhr Sigislind fort.
»Ihr habt … unser Haus durchsucht?«, fragte Thor. »Wieso?«
Niemand beachtete ihn.
»Das gehört dir, nicht wahr?«, fragte Sigislind. »Es war in deiner Truhe.«
»Es ist ein Kräuterextrakt«, wiederholte Urd verstört. »Er … wirkt stärkend. Er lässt dich besser schlafen, und er gibt dem Körper Kraft.« Sie lächelte flüchtig. »Und man sagt, dass er die Manneskraft steigern soll.«
»Und er tötet, in hoher Dosis«, fügte Sigislind hinzu.
»Und?« Urd hatte ihre Fassung zurückerlangt und warf den Beutel mit einer verächtlichen Bewegung auf den Tisch. Er platzte auf und verteilte seinen Inhalt auf der Tischplatte, ein weißes, körniges Pulver, das staubige Schlieren in der Luft hinterließ. »Du scheinst dich ja mit so etwas auszukennen. Dann weißt du vielleicht auch, dass fast alles, was hilft, auch töten kann, wenn man zu viel davon nimmt.«
Sigislind nickte. » Hast du ihnen zu viel gegeben?«
»Ich habe ihnen –«, begann Urd erregt, brach dann mit einem verächtlichen Schnauben ab und schüttelte den Kopf. »Ich verstehe«, setzte sie in verändertem Ton und neu an. »Ihr sucht einen Schuldigen, und wer käme euch da mehr recht als die beiden Fremden?«
»Red nicht so einen Unsinn, Kind«, sagte Nele. Sie legte Urd die Hand auf den Unterarm und zog sie dann erschrocken wieder zurück, als Urd herumfuhr und nun sie aus Augen anstarrte, die vor Zorn glühten. Irritiert wich sie einen Schritt zurück, fing sich aber auch gleich wieder und wandte sich in strengem Ton an ihren Mann. »Schämst du dich nicht, so etwas auch nur zu denken, Bjorn? Nach allem, was sie für uns getan haben?«
»Noch ist gar nichts entschieden«, antwortete Bjorn unbehaglich. »Aber wir müssen vorsichtig sein.«
Thor … nein, er wusste nicht, was er in diesem Moment dachte oder auch nur fühlte. Da war etwas tief in ihm, das empört, erschrocken und einfach nur wütend war, aber auch das Scharren und Kratzen an seinen Gedanken hielt an, und der Wunsch, etwas zu zerstören. Etwas zu töten .
Warum ging er nicht einfach hin und schlug diesem Narren den Schädel ein, fragte sich Thor ernsthaft. Diesmal erschrak er nicht vor seinen eigenen Gedanken, und es war auch nicht jene fremde Stimme in ihm, die ihm diese Worte zugeflüstert hatte.
Als hätte er seine Gedanken gelesen, straffte Sverig sichtbar die Schultern und sah ihn herausfordernd an. Thor musste für einen Moment mit aller Kraft gegen das Bedürfnis ankämpfen, ihm gleich hier und jetzt zu demonstrieren, wie trügerisch diesesGefühl der Überlegenheit sein konnte, rief sich aber dann selbst zur Ordnung und drehte sich abrupt wieder zu Sigislind um.
»Dann sind wir also weiter Gefangene?«
»Natürlich
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