freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
wollte?«
Sie beantwortete ihre eigene Frage mit einem Kopfschütteln, und Thor sagte gar nichts dazu. Es gab nichts, was er in diesem Moment hätte sagen oder tun können, um ihren Schmerz zu lindern oder auch nur mit ihr zu teilen.
Die Götter sind Menschen wie du und ich … aber sie sind unvorstellbar mächtig , hallte es in seinen Gedanken wider. War es das, was er war? Der Gedanke war verlockend, vor allem weil er eine Antwort auf all seine Fragen gegeben hätte, doch die Antwort war zugleich irgendwie falsch, wie er in seinem tiefsten Inneren spürte, mit einer Gewissheit, die keiner rationalen Erkenntnis entsprang, sondern einem Gefühl, das er nicht begründen konnte. Nein, das Rätsel, das er selber war, hatte keine so einfache Lösung.
Auf seine Art war er genauso einsam wie Urd.
»Was ist geschehen?«, fragte er leise, mit einer Sanftheit, die ihn selbst überraschte.
»Elenia«, antwortete Urd. »Und Lif. Sie kamen eines Tages, um sie mir wegzunehmen. Elenia, um sie zu einer Lichtbringerin zu machen, und Lif sollte zu den Einherjern gebracht werden, damit sie ihn zu einem der Ihren ausbilden können.«
Einherjer … Thor hatte dieses Wort nicht nur schon einmal gehört, er hatte es gerade vor wenigen Tagen selbst ausgesprochen, und in diesem Moment hatte er auch um seine wahre Bedeutung gewusst. Doch dieses Wissen war ihm so rasch wieder entglitten, wie es ihm zugefallen war, und nun löste sein Klang nur ein schwaches, wenngleich unangenehmes Echo in ihm aus.
»Ich habe gewusst, dass dieser Moment kommen würde«, fuhr Urd fort. »Ich habe mir eingebildet, dass ich sogar stolz darauf sein würde. Aber als es dann so weit war, wurde mir klar, was für eine Närrin ich gewesen bin. Ich konnte ihnen die Kinder nicht geben. Seither und bis zu jenem Tag, an dem ich Lasse getroffen und er mich nach Skattsgard gebracht hat, waren wir auf der Flucht vor meinem eigenen Volk. Hätte ich dir das sagen sollen, Thor, gleich am ersten Tag und nachdem einer meines eigenen Volkes versucht hat, dich zu erschlagen?«
Thor hatte den Moment nicht vergessen, in dem er sie und den riesigen gehörnten Krieger in der ausgebrannten Scheune gefunden hatte, und auch nicht das, was in ihrem Blick geschrieben stand. Statt sie jedoch darauf anzusprechen, fragte er nur: »Und die Kinder?«
»Sie waren noch sehr klein«, antwortete sie. »Und ich habe dafür gesorgt, dass sie vergessen.«
Sie musste so gut wie er wissen, wie verhängnisvoll diese Entscheidung letzten Endes gewesen war. »Du hast dafür gesorgt, dass sie vergessen?«, wiederholte er, sorgsam darauf bedacht, keinen Vorwurf in diesen Worten mitklingen zu lassen.
»Ja«, sagte sie. »Sprich es ruhig aus, Thor. Ich war eine Närrin. Jetzt bezahle ich den Preis dafür.« Sie hob die Schultern, als spräche sie nur über ein kleines Missgeschick, nicht über ihr Leben. »Und meine Kinder wohl auch.«
»Das ist noch nicht gesagt«, antwortete er unbeholfen. »Niemand muss etwas davon erfahren.«
»Sei kein Dummkopf, Thor«, antwortete Urd leise. »Sigislind ahnt es zumindest. Und wenn sie es noch nicht weiß, dann wird sie die Wahrheit in Erfahrung bringen. Wir müssen es Bjorn sagen. Er … ist ein kluger Mann. Er wird den Kindern nichts tun.«
»Oh ja«, sagte Thor. »Und wenn wir schon dabei sind, am besten auch gleich Sverig. Vielleicht schneidest du dir ja auch selbst die Kehle durch, um ihm die Mühe abzunehmen.« Er machte eine zornige Handbewegung, um jeden Widerspruch im Keim zu ersticken. »Sie dürfen nichts davon erfahren. Es wäre dein Tod.«
»Und vielleicht wäre es richtig«, antwortete Urd leise. »Die Frau, die ich damals war, hat den Tod verdient.«
Thor wollte auffahren, sie packen und schütteln, bis sie Vernunft annahm. Stattdessen sagte er nur: »Und deine Kinder? Haben sie auch den Tod verdient?«
»Bjorn wird ihnen nichts tun«, beharrte Urd.
»Bjorn vielleicht nicht«, räumte Thor ein. »Sverig dafür umso mehr.«
»Sverig ist kein Ungeheuer«, sagte Urd.
»Aber er hasst mich«, antwortete Thor ernst. »Und er würde alles tun, um mich zu treffen.« Er schüttelte den Kopf, als sie widersprechen wollte. »Niemand darf etwas davon erfahren, Bleib vorerst bei der Geschichte, die du bisher erzählt hast, ganz gleich, was sie dir auch vorwerfen. Morgen sehen wir dann weiter.«
Urd sah ihn an. Ihr Blick war leer.
Aber schließlich nickte sie.
11. Kapitel
N ach dem eigenen Rhythmus des Tales musste es früher Nachmittag sein,
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