freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman
wehren.«
Ihr Tonfall war leicht, doch Thor war weder nach Scherzen zumute, noch hätte er ihre Frage in diesem Moment ehrlich beantworten können. Natürlich war er froh, dass Urd sich zu verteidigen wusste, aber was er in den zurückliegenden Tagen gesehen hatte, war weit mehr als nur das. Die Lichtbringerin, die er erschlagen hatte, war ganz zweifellos eine Kriegerin gewesen, die es ohne Schwierigkeiten mit den meisten Männern aufnehmen konnte, und er fragte sich ernsthaft, ob Urd vielleicht dieselben Fähigkeiten besaß.
Er rettete sich in ein unbeholfenes Schulterzucken. »Es ist ungewöhnlich.«
»Was?«
»Dass eine Frau lernt, sich so ›ihrer Haut zu wehren‹.«
Ein Schatten schien über Urds Gesicht zu huschen, den er mit seinen Worten heraufbeschworen hatte, ohne zu wissen warum.
Eine einzelne Windböe kam auf, überschüttete sie mit einem Schauer aus pulverfeinem Schnee und trug einen klagenden Laut mit sich, den er im allerersten Moment für das Heulen eines Wolfs hielt und dann für das Geräusch des Windes selbst, bis er es schließlich als die schlimmste aller Möglichkeiten erkannte: Es war Hundegebell.
Urd brachte ihr Pferd mit einem Ruck zum Stehen und hob erschrocken den Kopf. »Hunde?«, murmelte sie. »Es gibt hier keine wilden Hunde!«
»Nein«, grollte Thor. »Die gibt es hier nicht. Reitet! «
Das letzte Wort hatte er geschrien, auch wenn es gar nicht mehr notwendig gewesen wäre. Urd sprengte bereits los, und auch Lif und seine Schwester spornten ihre Tiere zu größerem Tempo an, wobei sich Elenias Schecke auch diesmal als das langsamste Pferd herausstellte. Schon nach den ersten Schritten begann sie zurückzufallen, und ihre verzweifelten Versuche, das Tier zu noch größerer Schnelligkeit anzuspornen, machten es eher noch schlimmer. Der Schecke scheute, kam schließlich aus dem Tritt und drohte sie abzuwerfen.
Mit einer einzigen raschen Bewegung brachte er sein Pferd neben das des Mädchens, war mit einem Satz hinter ihr im Sattel und warf sie mehr auf den Rücken seines eigenen Tieres, als er sie hinüberhob. Elenia schrie vor Schrecken auf und wäre um ein Haar wieder aus dem Sattel gestürzt, hätte sie sich nicht mit einer instinktiven Bewegung in der Mähne des Tieres festgekrallt, das daraufhin ein schrilles Wiehern ausstieß und nun seinerseits sein Bestes tat, sie abzuwerfen. Thor brachte sein eigenes Tier mit einer rücksichtslosen Bewegung zur Räson, beugte sich zur Seite und fiel Elenias Pferd mit solcher Gewalt in die Zügel, dass es in den Vorderläufen einbrach. Sein Reittier scheute ebenfalls, warf den Kopf in den Nacken und versuchte nach ihm zu beißen, und Thor erkannte den Schecken erst jetzt als genau den störrischen Gaul wieder, den Sverig ihm bei ihrem ersten Ausritt in die Berge gegeben hatte.
Er hatte keine Zeit für Mätzchen und versetzte dem Tier einen Fausthieb auf die empfindliche Nase, die das Pferd zwarvor Schmerz aufwiehern ließ, ihm selbst aber vermutlich noch mehr wehtat, denn er hatte ganz instinktiv mit der bandagierten Rechten zugeschlagen. Der Schnitt in seiner Handfläche brach wieder auf, und für einen Moment wurde ihm übel vor Schmerz. Schatten drangen aus allen Richtungen auf ihn ein, und alles wurde leicht und dumpf.
»Ein Schwert! Thor, gib mir ein Schwert!« Es war Lifs Stimme, die die Schatten zurückdrängte und ihn wieder in die Wirklichkeit zurückriss. »Gib mir ein Schwert! Thor! Ich will kämpfen!«
Thor war einfach zu müde und Lif zu weit weg, um ihn zu schlagen, sonst hätte er es getan. So fuhr er ihn lediglich an: »Bring sie in Sicherheit! Kümmere dich um Elenia und deine Mutter! Ich halte sie auf, aber wenn ich es nicht schaffe, dann musst du sie beschützen! Und jetzt reitet!«
Thor wartete, bis Lif – nicht ohne ihm vorher noch einen trotzigen Blick zugeworfen zu haben – die Zügel von Elenias Pferd ergriffen hatte und mit ihr davongaloppiert war. Dann zwang er den Schecken mit einer heftigen Bewegung herum und lauschte angestrengt. Das Hundegebell wiederholte sich nicht, aber das war auch nicht nötig: Er spürte, dass sie da waren, Mensch und Tier, die ihre Spur verfolgten, und sie kamen näher.
Seine Hände tasteten nach den beiden Waffen an seinem Gürtel. Mjöllnir war zweifellos die mächtigere Waffe, doch schon diese kleine Bewegung bereitete ihm wieder Schmerzen und mehr Mühe, als er zugeben wollte. Seine rechte Hand war nach wie vor verschnürt, und er würde den schweren Hammer mit der
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